Sie sind hier

Handball mit MUT

MUTig!! In der Saison 2008/09 spielen die Handballerinnen der Berliner „Spreebirds“ mit dem Logo „Mut gegen rechte Gewalt“ auf dem Trikot. Die Kooperation mit dem Verein aus der zweiten Handball-Bundesliga entstand auf Initiative der Spielerinnen. MUT verlost 10 Freikarten zum Saisonstart am 13. September!

Von Sarah Köneke

„Flieg!“ Die Spielerinnen der Spreebirds stehen eng zusammen im Kreis und schwören sich vor dem Anpfiff gemeinsam ein. Sie wirken nervös. Heute ist das Saisoneröffnungsspiel, bei dem sie sich zum ersten Mal in der neuen Saison beweisen müssen – und das gegen eine Mannschaft, die normalerweise eine Klasse über ihnen spielt. Die Atmosphäre in der Halle ist gut und obwohl es nur ein Vorbereitungsspiel ist, sind recht viele Anhänger erschienen und klatschen begeistert bei guten Aktionen ihrer Spielerinnen. Die Spreebirds kämpfen und halten sich zunächst wacker gegen den Erstligisten FHC Frankfurt/Oder. In der ersten Halbzeit liegen die Mannschaften fast gleich auf, erst in der zweiten wird doch der Klassenunterschied deutlich und die Frankfurterinnen gewinnen am Ende souverän mit 33:23. Doch die Spielerinnen haben gezeigt, dass sie fit sind für die neue Saison 2008/09. Einen ganz anderen „Knaller“, wie Marketingchef Sören Wennerlund es ausdrückte, haben die Spreebirds bereits im Vorfeld der Vorbereitungsphase gelandet. Ab der kommenden Saison werden die Handballerinnen mit dem Logo von „Mut gegen rechte Gewalt“ auf dem Trikot auflaufen. Offizieller Saisonstart ist der 13. September.

Die Kooperation zwischen den Spreebirds und MUT ist neu und ungewohnt und bedeutet für beide Seiten eine große Chance. Der Verein zeigt Courage und bezieht dadurch eindeutig Stellung gegen Rechtsextremismus und für soziales Engagement. MUT wird durch das Logo auf dem Trikot bekannter werden und vor allem auch Leute erreichen, die das Projekt bis jetzt noch nicht kennen. Es geht in dieser Kooperation also nicht um normales Sponsoring, so wie es im Sport meistens üblich ist, sondern um eine Symbiose, von der beide Partner zu gleichen Teilen profitieren sollen. Die Spreebirds werden das MUT-Logo auf der Brust tragen, es ist somit an der auffälligsten und natürlich eigentlich auch „teuersten“ Stelle des Trikots.

Brennpunkt Lichtenberg

Die Spreebirds kommen aus Berlin Lichtenberg, das seit Jahren als ein Brennpunkt der rechten Szene bekannt ist, doch mehr und mehr Gegeninitiativen sind aktiv. Das jetzt auch der Stolz des Bezirks, die Bundesliga-Handballerinnen, so deutlich Flagge zeigen, hat selbst die Bürgermeisterin von Lichtenberg, Christina Emmerich überrascht. Sie war am Montag, dem 4.9. zur Mannschaftsvorstellung eingeladen, auf einem Veranstaltungsschiff auf der Spree. "Ein großartiges Zeichen, dass sehr ermutigt!", begrüßte sie die Aktion und erhielt von den Spielerinnen ein eigenes Trikot mit ihrem Namen. Und dem MUT-Aufruck.
mannschaftskapitänin Juliane hält MUT-Trikot mit Bürgermeisterin von Berlin-Lichtenberg
mannschaftskapitänin Juliane hält MUT-Trikot mit Bürgermeisterin von Berlin-Lichtenberg

In dem Ostberliner Bezirk entwickelten sich bereits zu Zeiten der DDR, Ende der achtziger Jahre, organisierte rechtsextreme Strukturen. Anfang 1990 wurde hier auch die erste entschieden rechtsextreme Partei der DDR, die Nationale Alternative, gegründet. Der Parteisitz war in der Weitlingstraße 122, einem von Neonazis bewohnten Haus. Die Partei zerfiel jedoch schnell wieder. In den Jahren zwischen 1992 und 1998 war die rechte Szene in Lichtenberg kaum öffentlich präsent, verschwunden ist sie deswegen aber nicht. Ende der neunziger Jahre wurde das Café Germania gegründet und die Szene trat wieder verstärkt in der Öffentlichkeit in Erscheinung. Seit 2001 kam es vermehrt zu rechtsextremen Aktivitäten und es wurden zahlreiche neue Kameradschaften gegründet. Die Problematik des Rechtsextremismus wird nur allzu deutlich, wenn man die Zahlen bekannt gewordener rechtsextremer Übergriffe in Lichtenberg betrachtet: im Jahr 2007 waren es laut Antifa allein 129. Spreebirds und Mut gegen rechte Gewalt – das ist eine Kooperation die brisant und gerade deswegen auch so wichtig ist.
Beim Fotoshooting
Beim Fotoshooting

Die Initiative zu der Kooperation kam von Seiten der Spreebirds. Die Idee, sich im sozialen Bereich zu engagieren, gab es schon länger. Aber die Ansprüche waren hoch, man wollte nicht nur „irgendeine“ wohltätige Sache unterstützen. Das Engagement sollte zu Mannschaft und Umfeld des Vereins passen. Sören Wennerlund, der erst seit diesem Sommer im Verein dabei ist und die Leitung des Marketings übernahm, hatte sofort die richtige Idee. Er brachte erstmals den Rechtsextremismus in Lichtenberg ins Spiel und meinte, wenn, dann müsse man etwas in diesem Bereich machen. Er sprach daraufhin mit Abteilungsleiter André Schünke, der ebenfalls sofort von der Idee begeistert war. Über Recherchen im Internet fand Wennerlund schließlich die Seite von Mut gegen rechte Gewalt und war begeistert: „Mut passte wie die Faust aufs Auge!“. Und nach einem neugierigen Besuch in der MUT-Redaktion und ersten Gesprächen über die Möglichkeiten des Vorhabens mit der Redaktion stand fest, dass eine Kooperation entstehen sollte.

„Alle müssen dahinter stehen“

Die beiden Verantwortlichen informierten die Mannschaft, die auch sofort und geschlossen sehr positiv auf das Vorhaben reagierte. Juliane Lang, Mannschaftskapitän und wichtige Spielerin für die Spreebirds, antwortete noch am selben Abend auf die E-Mail und zeigte ihre Begeisterung für das Projekt. Sie engagiert sich selbst bereits seit acht Jahren ehrenamtlich bei einer Kontakt- und Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt in Bernau und findet es einfach „schön, dass wir es jetzt machen!“. „Deutliche Positionierungen“ aller Beteiligten sind die Voraussetzung für eine solche Kooperation, wie André Schünke im MUT-Gespräch betont. „Alle müssen dahinter stehen“ und sich mit dem Projekt Mut gegen rechte Gewalt identifizieren. Denn in einem Umfeld wie Lichtenberg kann ein solches Engagement durchaus polarisierend wirken. Der Abteilungsleiter ist jedenfalls „gespannt auf die Reaktionen“. Neben diesem vorbildlichen sozialen Engagement hoffen die Spreebirds natürlich, durch die Aktion auch mehr Aufmerksamkeit für ihre sportlichen Leistungen zu bekommen.
Plakat der Spreebirds
Plakat der Spreebirds

Die Spreebirds, die Frauen-Handballmannschaft des SV BVG 49 e.V., spielen momentan in der zweiten Liga und sind somit das erfolgreichste Berliner Frauenhandballteam. Am Ende der letzten Saison 2007/08 standen sie auf dem neunten Platz. Die Mannschaft ist eine der jüngsten im Vergleich mit den anderen Teams der zweiten Liga, der Altersdurchschnitt liegt bei unter 20 Jahren. Das hat zwar zum Nachteil, dass viele Spielerinnen noch sehr unerfahren sind, aber der große Vorteil ist, dass die Mannschaft so langsam aufgebaut und das Zusammenspiel gefestigt werden kann. Aus diesem Grund wird für die kommende Saison zunächst angestrebt, möglichst schnell nichts mehr mit dem Abstieg zu tun zu haben und am Ende einen Platz im gesicherten Mittelfeld zu erreichen. Die Spielerinnen sollen genug Zeit haben, ihre Spielerpersönlichkeit weiter zu entwickeln, sich zu verbessern und vor allem wichtige Erfahrungen zu sammeln. Damit hat das Team wirklich gute Aussichten das langfristige Ziel des Aufstiegs in die erste Liga in einigen Jahren zu erreichen.
Die Spreebirds
Die Spreebirds

Zeichen setzen

André Schünke sieht die Aktion als „inhaltlich wichtig und interessant“ und hofft, damit ein „deutliches Zeichen“ setzen zu können. Ein Zeichen setzen können er und die Mannschaft durch die Kooperation mit Sicherheit. Denn eine solche Zusammenarbeit wie zwischen den Spreebirds und MUT ist, wie auch Marketingchef Wennerlund betont, bisher einmalig im Handball. Juliane Lang bemängelt zudem, dass Sport „viel zu oft unpolitisch“ ist, obwohl gerade durch Sport sehr viele Menschen erreicht werden können. Im Fußball gibt es bereits vereinzelt gute Beispiele für Engagement gegen Rechtsextremismus. So tragen die Spieler des Oberligisten VfB 09 Pößneck den Schriftzug „Courage“ über ihrem Vereinswappen, der vom Aktionsbündnis Courage aus Pößneck abgeleitet wurde.

Am Donnerstag, den 4. September, eine Woche nach dem Saisoneröffnungsspiel gegen Frankfurt/Oder, sitzen André Schünke, Sören Wennerlund und die drei Spielerinnen Juliane Lang, Janine Wegner und Juliane Rüh bei einem Kaffee in der MUT-Redaktion zusammen. Das Interesse auf beiden Seiten ist groß. So wird zunächst über die Projekte und die Arbeit der Redaktion gesprochen und danach werden Fragen zum Handball und zur Mannschaft selbst geklärt. Und schließlich kommt der große Moment: Juliane Lang holt das neue Trikot der Spreebirds aus der Tasche. Die Grundfarbe ist ein sehr intensives Blau. Auf der Brust steht groß und unübersehbar in roten Buchstaben „MUT GEGEN RECHTE GEWALT“.

Die Botschaft auf dem Trikot ist eindeutig. Die Spreebirds beweisen Mut und zeigen öffentlich, dass sie sich Rechtsextremismus und rechter Gewalt entgegen stellen. Das erste Spiel der Spreebirds im neuen Trikot ist gleich ein Heimspiel gegen den TSV Nord Harrislee und findet am 13. September um 19.30 Uhr in der Anton-Saefkow-Halle am Anton-Saefkow-Platz 9 in Lichtenberg statt. Dort wird auch MUT mit einem Informationsstand vertreten sein. Wir werden die Mannschaft natürlich auch während der Saison begleiten und sowohl die positiven als auch die negativen Reaktionen auf die Kooperation mit MUT gegen rechte Gewalt beobachten und festhalten. Juliane Lang wird zusätzlich auf der MUT-Homepage ein Spielertagebuch führen. Die Redaktion von MUT wünscht den Spreebirds schon jetzt viel Erfolg für die kommende Saison und hofft, dass sie ihr Ziel erreichen werden. Oder um es mit dem Motto der Spreebirds zu sagen: „Flieg!“

P.S.: In dieser Saison verlost MUT zu jedem Heimspiel der Spreebirds am Lichtenberger Anton-Saefkow-Platz 5 drei Freikarten! Gewinnen kann, wer dem Team der Spreebirds ein paar Zeilen über ihr Engagement mailt. Bitte an mut@amadeu-antonio-stiftung.de schreiben und die Adresse nicht vergessen!



Beim Trikottest in der MUT-Redaktion
Beim Trikottest in der MUT-Redaktion

Bei der Trikotpremiere in der MUT-Redaktion Anfang September mit Juliane Lang, Janine Wegener, Juliane Rüh von den Spreebirds und Nihal Yildiran, Sarah Köneke und Holger Kulick vom MUT-Team der Amadeu Antonio Stiftung. Die Spreebirds werden von nun an im einem Spieltag-Tagebuch über ihre Erfahrungen mit MUT berichten. Hier Juliane Langs Bericht vom ersten Spieltag: http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/debatte/rechtsblog/mut-handball-bl...

Link: www.spreebirds.de


www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Fotos: Kulick (5), Spreebirds (1)

handball-gruppe-2.jpg

Die Spreebirds beim Mannschaftsfoto