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Reaktionen der NPD auf Mordserie und Verbotsdebatte

„Den Kampf gegen eine machtvolle historische Grundströmung kann man nur verlieren“1, so NPD-Mitglied Arne Schimmer. Wie die NPD auf die rassistische Mordserie und die darauffolgende Verbotsdebatte reagiert dokumentierte ein Projekt des Vereins für demokratische Kultur in Berlin e.V.

Vom Projekt „Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in kommunalen Gremien Berlins - Dokumentation und Analyse“

Während der Druck auf die NPD nach der Festnahme ihres ehemaligen Führungsmitglieds Ralf Wohlleben aus Thüringen im Rahmen der Ermittlungen zur rechtsextremen Mordserie wächst, geriert sich die Partei als Opfer staatlicher Politik und konzentriert sich auf die Rolle des Verfassungsschutzes: Rechtsextreme Gewalt resultiere demnach nicht aus der menschenverachtenden Ideologie, sondern sei ein staatlich inszeniertes Problem.

Bereits kurze Zeit nach dem Bekanntwerden der Mordserie der rechtsextremen Terrororganisation „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) reagierte der frisch gewählte NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel empört auf die mediale Berichterstattung und die neuerliche Forderung nach einem NPD-Verbot: „Wer angesichts dieser Bestialität auch nur ansatzweise auf die Idee kommt, dies könne im Sinne meiner Partei und meiner Fraktion sein, ist entweder unzurechnungsfähig oder agiert aus durchsichtigem politischen Interesse.“2 Während Vertreter der NPD seitdem mehrfach etwaige Verbindungen zurückgewiesen haben, mehren sich die Stimmen, nach denen die Morde als Zeichen des Staatsverfalls bewertet werden und als politisches Instrument zur Kriminalisierung der NPD sowie zum „Machterhalt der politischen Klasse“ genutzt würden.3 „Immer wieder wird deutlich, dass es nicht die anständigen Mitglieder der NPD sind, die durch Straftaten auffallen, sondern dass der Verfassungsschutz über seine V-Leute überall seine Finger im Spiel zu haben scheint“, äußerte sich Holger Apfel in einer Pressemitteilung.4

Angesichts der medialen Berichterstattung zu offenen Fragen über die Rolle des Verfassungsschutzes zielt die NPD darauf ab, allein die Geheimdienstbehörden für die Mordtaten und darüber hinaus für rechtsextreme Gewalt im Allgemeinen verantwortlich zu machen. Dass die rechtsextreme Ideologie dabei zwangsläufig Gewalt gegen die als Feinde markierten Menschen impliziert, wird nicht nur geleugnet, sondern zynisch dem Staat zur Last gelegt, als dessen Opfer sich die NPD inszeniert. Dabei scheuen sich Vertreter der Partei nicht, Parallelen zwischen der derzeitigen Debatte und der nationalsozialistischen Herrschaft zu ziehen. So schreibt Arne Schimmer, Abgeordneter der NPD im Sächsischen Landtag, in seinen „Sechs Thesen zum geplanten NPD-Verbot“: Mit dem Versuch der „Exklusion der Patrioten vom Gemeinwesen […] imitiert der ‚Kampf gegen Rechts‘ ironischerweise den historischen Nationalsozialismus und dessen Scheitern.“5

Die zentrale Forderung der NPD liegt derzeit im Rückzug aller V-Leute aus der Partei. Entsprechende parlamentarische Initiativen haben die Fraktionen der NPD in den Landtagen Sachsens und Mecklenburg-Vorpommerns gestartet. In Mecklenburg-Vorpommern forderte die NPD-Fraktion in einem Gesetzentwurf die Ausweitung der Parlamentarischen Kontrollkommission des Landtages auf alle im Landtag vertretenen Fraktionen, da nur so dem „Missbrauch des Verfassungsschutzes durch die Regierungsfraktionen angemessen entgegengewirkt werden“ könne. In Sachsen brachte die NPD einen Dringlichkeitsantrag ein, in dem die Verhinderung einer Beweismittelvernichtung seitens der lokalen Landesämter des Verfassungsschutzes gefordert wurde. Die Büroräume des Geheimdienstes sollten versiegelt und der Präsident sowie seine Vertreter unverzüglich vom Dienst suspendiert werden, heißt es weiter.6

Auch nach der Festnahme des ehemaligen stellvertretenden Landesvorsitzenden der NPD in Thüringen, Ralf Wohlleben, der unter Verdacht steht, von der Mordserie gewusst sowie eine der Waffen der Täterinnen und Täter organisiert zu haben, gibt sich die Partei gelassen. Man habe von etwaigen Verbindungen nichts gewusst und wolle nun die weiteren Ermittlungen abwarten, heißt es aus dem thüringischen Landesverband. Frank Schwerdt, derzeitiger Landesvorsitzender der NPD in Thüringen und stellvertretender Bundesvorsitzender weist den Zusammenhang zwischen der Ideologie des NSU und der NPD bzw. seinem ehemaligen Kameraden zurück: Wohlleben habe während seiner Tätigkeit in der NPD „ein solches Gedankengut niemals nach außen getragen“.
Die Sorge um die Außenwirkung hat seitens des neuen Bundesvorstandes dennoch zu internen Maßnahmen geführt. So sollen zukünftig Rednerinnen und Redner bei Veranstaltungen der NPD, die nicht Mitglieder der Partei sind, durch den zuständigen Organisationsleiter genehmigt werden. Martin Wiese, der für die Planung eines Sprengstoffattentates auf die Jüdische Gemeinde in München verurteilt worden war und Karl-Heinz Hoffmann, Kopf der Wehrsportgruppe Hoffmann, wurden für die Zukunft gar als unerwünschte Redner deklariert. So versucht sich die NPD mit dem Ausschluss allzu bekannter Rechtsextremer als gemäßigt zu präsentieren. Im radikalen Flügel der Partei sowie den „Freien Kräften“ treffen die „hektisch-planlosen Repressionsmaßnahmen“7 allerdings auf Ablehnung. Es zeichnet sich ab, dass der Flügelstreit innerhalb der Partei auch unter dem neuen Bundesvorstand bestehen bleiben wird.

Während die NPD momentan wieder einmal darum bemüht ist, sich von der Anwendung von Gewalt als politischem Mittel zu distanzieren, genügt ein Blick auf die parlamentarische Arbeit der Partei, um die unterschiedlichen Facetten rechtsextremer Ideologie aufzuzeigen. Abgesehen davon, dass bundesweit Mandatsträger der NPD immer wieder durch Gewaltdelikte gegen politische Gegnerinnen und Gegener sowie als „Andere“ markierte Menschen auffallen, verdeutlichen Huldigungen des ehemaligen Bundesvorsitzenden Udo Voigt gegenüber der Waffen-SS oder in Gremien eingebrachte Anträge, in denen etwa von „inzuchtgeschädigten Jungmigranten“ und „Asozialarbeitern“ die Rede ist, genauso wie die mehrfach vorgebrachte „Integration ist Völkermord“ – Rhetorik, dass rechtsextremer Terror der gleichen Logik entspringt, welche die NPD programmatisch vertritt.

(Stand:07.12.2011)

1 Arne Schimmer, NPD-Verordneter im sächsischen Landtag vertritt die These, dass der von der NPD und anderen europäischen Parteien vertretene Nationalismus aufgrund seiner machtvollen historischen Funktion letztendlich, auch trotz einem möglichen Verbot der NPD, zum Sieg führen werde, http://www.npd.de/html/1938/artikel/detail/2658/ [30.11.2011].

2 http://www.npd-fraktion-sachsen.de/index.php?s=9&aid=1582 [24.11.2011].
3 Arne Schimmer, Sechs Thesen zum geplanten NPD-Verbot, http://www.npd.de/html/1938/artikel/detail/2658/ [30.11.2011].

4 www.npd.de/html/1938/artikel/detail/2646/ [24.11.2011].

5 Dringlichkeitsantrag der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag „Sofortiger Abzug aller V-Leute aus der NPD“ vom 18.11.2011.

6 Vgl. Frank Schwerdt im Interview, RBB-Abendschau vom 29.11.2011.
7 Vgl. http://www.bnr.de/artikel/hintergrund/npd-in-der-zange [06.12.2011].

 

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