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Ein NPD-Verbot ist (k)eine Lösung

Spätestens seit der Aufklärung der NSU-Mordserie wird intensiver denn je über ein erneutes NPD-Verbot diskutiert. Vor neun Jahren ist man damit schon einmal gescheitert – und die NPD triumphierte. Am 22. März treffen sich nun die Innenminister aller Länder zu einer Sonderkonferenz, um darüber zu entscheiden, ob ein neues Verbotsverfahren angestrebt werden soll.

Von Anna Brausam

Eine Rückschau ins Jahr 2003 legt offen, wie ein NPD-Verbotsverfahren nicht funktioniert. Damals scheiterte der Prozess an der V-Mann Problematik: Zu viele „Vertrauensleute“ des Verfassungsschutzes waren in der Führungsebene der Partei eingesetzt worden. Genauer gesagt, jeder Siebte aus der NPD-Führungsebene stand zum Zeitpunkt des Verbotsverfahrens im Dienste des Verfassungsschutzes. Das hatte zur Folge, dass das Bundesverfassungsgericht zu dem Urteil gelangte, dass es nicht mehr nachvollziehbar sei, welche Positionen der NPD selbst zugeschrieben werden konnten und welche Aussagen von den V-Männern und V-Frauen beeinflusst worden waren.

Wie stehen die Zeichen für ein erfolgreiches Verbotsverfahren?

Das Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht im Jahre 2003 stellte nicht nur eine Blamage für den Verfassungsschutz und die politischen Verantwortlichen dar, sondern setzte auch ein fatale Signalwirkung an die NPD selbst: Die rechtsextreme Partei konnte sich in der rechten Szene honorig als Märtyrer feiern lassen. Ein erneutes Verbotsverfahren muss also gelingen. In diesem Punkt sind sich alle Parteien einig. Doch stehen die Zeichen für ein erfolgreiches Verbotsverfahren diesmal besser?

Ein erster Schritt in eine erfolgsversprechende Richtung wurde nun gesetzt: Auch die Unionsinnenminister der Länder sind bereit auf V-Leute in den Vorständen der NPD zu verzichten – eine Grundvoraussetzung für einen neuen Verbotsantrag. Wie am Dienstag von Berlins Innensenator Frank Henkel bekannt gegeben wurde, hat die Hauptstadt angesichts des angestrebten Verbotsverfahrens alle Verbindungsleute in der Führung der rechtsextremen Partei abgeschaltet. Außer Berlin haben bereits mindestens sechs weitere Bundesländer – Baden-Württemberg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen – ihre Spitzel zurückgezogen. Prinzipiell halten jedoch die Innenminister der Länder am Einsatz von V-Männern und V-Frauen außerhalb der Führungsebene fest, obgleich bei diesen Informationen die Gefahr besteht, dass sie vor Gericht unbrauchbar sind.

Hohe Anforderungen

Wie Der Spiegel im Vorfeld der Sonderkonferenz berichtete, wurde für die beteiligten Innenminister ein interner Kriterienkatalog erstellt. In diesem werden hohe Anforderungen für einen zweiten Anlauf genannt. So ist in dem Bericht laut Der Spiegel zu lesen, dass das Bundesverfassungsgericht beispielsweise verlangen kann, dass der Verfassungsschutz sämtliche Quellen, einschließlich V-Leute, offenlegen muss. Mit anderen Worten: Karlsruher Richter können auch die Identität von Spitzeln einfordern und zu einer persönlichen Vernehmung vorladen. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ließen bereits verlautbaren, dass sie sich keinesfalls bereiterklären würden „Klarnamen“ offenzulegen. Die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) kritisierten dieses interne Papier scharf: „Es ist ein Skandal, dass nicht die gesetzlichen Hürden für ein NPD-Verbot zu hoch sind, sondern die, die von Innenministern und Verfassungsschutz […] derzeit in einem Geheimbericht konstruiert werden.“

Doch nicht nur die Hürden vor dem Bundesverfassungsgericht sind strittig. Von immer mehr Verbotsskeptikern wird auch vor den hohen Anforderungen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg gewarnt. Vor allem die Warnung vor einer „klagewütigen NPD“ wird in diesem Kontext als Argument angeführt. Falls das Bundesverfassungsgericht für ein Verbot stimmen würde, wäre das noch nicht das Ende. Die NPD würde mit hoher Wahrscheinlichkeit den kompletten Rechtsweg ausschöpfen und vor die letzte Instanz, dem EGMR, ziehen. Nach einer Einschätzung der Verfassungsrechtlerin Seyda Emek ist ein Verbot der NPD jedoch kaum mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar. Für ein zulässiges Verbot müsste der NPD nachgewiesen werden, dass sie aggressiv kämpferisch gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung handele. „Zum derzeitigen Zeitpunkt muss man wohl sagen, dass ein Verbot der NPD durch die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs nach aller Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt wäre“, so Seyda Emek gegenüber der Schweriner Zeitung.

Gewalt als Schlüsselrolle

Eine Schlüsselrolle für ein erfolgreiches Verbotsverfahren spielt somit das Verhältnis der NPD zur Gewalt. Es müssen Beweise gesammelt werden, dass es sich nicht lediglich um Einzeltaten von NPD-Mitgliedern handelt, sondern dass von der Partei und ihren Funktionären systematisch Gewalt ausgeht. Report Mainz hat über die Verkettung von NPD und Gewalt unlängst berichtet: „Rund 110 NPD-Funktionäre und Mandatsträger haben in zehn Jahren circa 120 Delikte begangen oder wurden deshalb beschuldigt. Das bedeutet: Im Durchschnitt verging kein Monat ohne das ein Repräsentant dieser Neonazi-Partei eine Straftat verübt hat oder das gegen einen von ihnen ermittelt wurde.“

Die Erfolgsaussichten für ein Verbot stiegen enorm, wenn der NPD nachgewiesen werden könnte, dass sie über die Planungen des NSUs unterrichtet war, beziehungsweise die Täter Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe unterstützten. Damit wäre ein stichhaltiger Beweis gefunden, dass die NPD die Bereitschaft besitzt ihre menschenverachtenden und verfassungsfeindlichen Agitationen in die Tat umzusetzen. Meint auch Winfried Hassemer, der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, der den Vorsitz im gescheiterten Verbotsprozess gegen die NPD 2003 geführt hatte, gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Wenn zur NSU Leute gehört haben, die in der NPD Politik gemacht haben, dann ist das schon sehr wichtig für das Verbotsverfahren.“

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erklärte nun, dass eine Entscheidung über einen Verbotsantrag erst Ende des Jahres oder Anfang 2013 getroffen werde. Man werde „auf Basis einer sauberen juristischen Prüfung eine politische Entscheidung treffen und dann sehen, ob wir den Antrag für ein Verbot stellen oder nicht”, so Innenminister Friedrich. Vielen geht das jedoch nicht schnell genug, wie beispielsweise Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Ein Beweggrund für diese Verzögerung ist nicht nur das Bestreben diesmal juristisch auf der sicheren Seite zu sein, sondern man wartet eventuell auch den geplanten Prozess gegen das NSU-Mitglied Beate Zschäpe im Herbst ab. Durch dieses Gerichtsverfahren erhoffen sich die politischen Verantwortlichen Aufklärung über die Mordserie, aber auch auf mögliche Verstrickungen des NSUs mit der NPD.

Nachhaltige Schwächung?

Es wäre ein Irrglauben zu meinen, durch ein NPD-Verbot würden sich die Probleme mit rechtsextremistischen Einstellungen und Alltagsrassismus auflösen. Ein NPD-Verbot verhütet keine einzige Nazi-Demonstration, geschweige denn rechtsextreme Übergriffe auf Menschen in Deutschland. Es wäre naiv, dass zu glauben. Aber es könnte verhindern, dass sich  die NPD weiterhin zu einem beträchtlichen Teil aus Steuergeldern finanzieren kann, um ihre rechtsextreme Infrastruktur immer weiter auszubauen. Gleichwohl sich innerhalb von kürzester Zeit Nachfolgeorganisationen finden werden, die versuchen werden, die Strukturen zu übernehmen. Gegenüber der Schweriner Volkszeitung ließ Udo Pastörs, stellvertretender Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der NPD im Schweriner Landtag, bereits verlauten, dass die Partei mehr als einen „Plan B“ im Petto hätte.

Dennoch kann ein Verbot ein Signal an unsere Gesellschaft setzen. Dass sich Deutschland gemeinsam ein Ziel setzt: Gegen die Feinde der Demokratie und menschenverachtende Einstellungen entschieden vorzugehen. Selbstverständlich beseitigt ein Verbot der NPD nicht das Gesamtphänomen des Neonazismus in Deutschland. Ein Verbot stellt also nicht das Ende dar, sondern den Anfang, um in Zukunft noch intensiver Strategien gegen rechtsextremes Gedankengut und Subkulturen auszubauen. Bleibt nur zu hoffen, dass es sich bei der Debatte um ein erneutes Verbotsverfahren nicht wieder nur um reine Symbolpolitik der Parteien und Abgeordneten handelt. In den letzten Jahren war die immer mal wieder angestoßene NPD-Verbotsdebatte geprägt von parteipolitischen Profilierungen. Sollte also tatsächlich ein Verfahren gegen die NPD eingeleitet werden, müssen ausreichend und vor allem juristisch standfeste Beweise gesammelt werden. VVN-BdA-Mitglieder riefen heute zu einer Mahnwache vor dem Bundesratsgebäude in Berlin auf, um die politischen Verantwortlichen anzuhalten, sich ernsthaft um ein NPD-Verbot zu bemühen. Die NPD hat sich ebensfalls mit einer Mahnwache am Potsdamer Platz angekündigt.  

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Transparent des VVN-BdA vor dem Bundesratsgebäude in Berlin, Foto: MUT, c