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Lasst uns die Debatte führen

Ein Kommentar von Anetta Kahane

Die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA ist so etwas wie eine Kriegserklärung an die Grundprinzipien der liberalen Demokratie. Dieser Einschnitt wird auch in Deutschland vieles verändern. Die internationale Rechte hat sich vernetzt und freut sich schon auf den Bundestagswahlkampf. Demagogie, Falschinformation und gezielte Attacken auf alle, die sich für das demokratische Grundrecht der Gleichwertigkeit einsetzen, werden uns beschäftigen.

Das nächste Jahr wird anstrengend. Mit dem Hass gegen die Amadeu Antonio Stiftung vom letzten Sommer sind auch alle diejenigen angegriffen worden, die sich für Geflüchtete engagieren oder der Verbreitung von Menschenverachtung entgegentreten. Vermutlich wird 2017 in dieser Hinsicht noch heftiger. Wenn es erst losgeht, finanziell und ideologisch gefüttert von Trumps Unterstützer_innen der Alt-Right-Bewegung, sollten wir weder überrascht noch unvorbereitet sein. Doch wie bereitet man sich auf den Ansturm auf die demokratischen Grundwerte vor, wenn er mit Hass und Häme heranrollt?

Als Bürger_innen, die sich besonders für Menschenrechte einsetzen, ist es unsere Pflicht, aufmerksam und kritisch gegenüber den politischen Entwicklungen zu sein. Doch es ist gefährlich, der Demokratie gegenüber ambivalent zu werden oder gar in Kulturpessimismus zu verfallen. Wollen wir Rechtspopulismus entgegentreten, dann müssen wir den demokratischen Rechtsstaat als das Faktische verteidigen, statt mit dem Postfaktischen zu kokettieren! Viele finden es heute witzig oder sonstwie akzeptabel, Dinge zu sagen, von denen wir dachten, sie lägen lange hinter uns: endlich wieder über Weiber lästern, Schwule lächerlich machen, Flüchtlinge zur Plage erklären oder von sagenhaft reichen Juden phantasieren, die aller Menschen Geschicke lenken. Frei nach dem Motto von Woody Allen: »Was wir schon immer über menschliche Abgründe wissen wollten, uns aber nie zu fragen trauten«, lassen sie alles raus. Es gibt nichts Unsagbares mehr, die Dämme gegen das Unzivile sind ohnehin nur was für Loser – so jedenfalls sehen es Leute wie Trump. Doch nach den Erkenntnissen der neuen Mitte-Studie ist keineswegs ausgemacht, dass Hass die Stimmung im Land dominiert. Zwar hat sich die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit verfestigt, die demokratische Mitte jedoch ist sehr viel breiter geworden. Die grundsätzliche Einstellung zur Aufnahme von Geflüchteten bildet eine deutliche Mehrheit. Auch steht eine große Mehrheit positiv zur Demokratie und mehr als die Hälfte der Deutschen spricht sich explizit gegen den Rechtspopulismus aus, der etwa von einem Viertel der Bevölkerung befürwortet wird. Also: nicht alles ist gut, aber besser, als es sich gerade anfühlt.

Was bedeutet das im nächsten Jahr? Die Polarisierung der Gesellschaft wird sich nicht aufhalten lassen. Deshalb müssen wir lernen, die Debatte zu führen. Debattieren heißt Regeln anzuwenden und trotzdem darüber, was wir wollen oder nicht wollen, klar und deutlich zu streiten. Und: bei aller Kritik demokratisch bleiben trotz Hass und Gewalt. Denn das Gegenteil von Hass ist nicht Liebe, sondern die Fähigkeit zur Debatte. Und das Gegenteil von Rechtsextremismus ist nicht Linksextremismus, sondern demokratische Kultur. Und die geben wir keinesfalls auf, sondern arbeiten lieber daran. Auch 2017.