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Aus Gegenwind wird Rückenwind - Dem Rechtspopulismus die Stirn bieten

Von Robert Lüdecke

Diese Monate sind sehr entscheidende für das rechtspopulistische Lager. Die Bundestagswahl soll die Bestätigung bringen, dass »das Volk« im großen Stil die politische Wende will.

Auftrieb und Hoffnung gaben zuletzt internationale Vorbilder: in Österreich und Frankreich sind jeweils Rechtspopulist_ innen in die Stichwahl zum Präsidenten gelangt. In den USA besetzt ein Präsident das Amt, der dem »politischen Filz« den Kampf angesagt hatte – mit Unterstützung der organisierten Rechten. Und auch die deutschen Rechtspopulist_innen sehen sich im Kampf gegen das Establishment und wähnen dabei »das Volk« hinter sich. Gegen vermeintliche gesellschaftliche Zwänge, gegen angebliche Bevormundung, gegen die Gleichbehandlung aller Menschen. Kurz: Sie haben der mühsam erkämpften deutschen Demokratie den Kampf angesagt.
 
»Man wird ja wohl noch….«

Der große Erfolg der Neuen Rechten und der Rechtspopulist_innen ist vor allem ein sprachlicher: Mit gezielten Provokationen und kontinuierlichen Tabubrüchen ist es ihnen gelungen, die Grenze des Sagbaren im eigenen Sinn zu verschieben. Und das mit schwerwiegenden Folgen: Was lange Zeit als verpönt galt oder nach langer demokratischer Debatte gesellschaftlich geächtet war, ist – »endlich« – wieder sagbar. Wer in Sozialen Netzwerken bis zur Volksverhetzung gegen Flüchtlinge aufstachelt, Homosexualität als etwas Abnormales verteufelt und die Errungenschaften der Gleichstellung von Mann und Frau in Frage stellt, bekommt eher tosenden Beifall als kritische Gegenstimmen. Gewürzt wird die Stimmungsmache regelmäßig mit Verschwörungstheorien und einer Abrechnung mit dem politischen System und den etablierten Parteien. Volksvertreter seien »Volksverräter«, Slogans wie »Mut zur Wahrheit« gaukeln vor, dass die vermeintliche Wahrheit »von denen da oben« nicht gewollt wäre und deshalb die Meinungsfreiheit eingeschränkt würde. Wer sich Kommentarspalten ansieht, stellt fest: Solche Parolen sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Das Bundesinnenministerium registrierte 2016 so viele rechte Straftaten wie noch nie. Jüdinnen und Juden fürchten um ihre Sicherheit, weil der Antisemitismus in allen Teilen der Gesellschaft zunimmt. Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur und schaffen es bis in den gesellschaftlichen Mainstream. Noch immer werden regelmäßig Flüchtlingsunterkünfte angegriffen, immer mehr Menschen bewaffnen sich. Die Festnahme einer Gruppe Rechtsextremer um den Soldaten Franco A. aufgrund konkreter Anschlagspläne zeigt: Rechter Terror ist eine akute Gefahr.
 
Die Grenzen sind verschoben

Dass es diesen Hass gibt, erschreckt niemanden mehr. Auch nicht, dass immer mehr Menschen mit der Demokratie abgeschlossen haben und dass sie Medien und Presse nicht mehr trauen. Wer früher mit Neonazis diskutierte, wusste sich auf der richtigen Seite. Denn die waren gesellschaftlich geächtet, ihre Parolen tabuisiert. So klar verlaufen die Grenzen aber längst nicht mehr. Wer sich für die demokratische Debatte entscheidet und kritisch nachfragt, wird als »linksgrünversifft« oder »antideutscher Gutmensch« beschimpft. Hass, Drohungen, Anfeindungen: Das Stresslevel der Auseinandersetzung ist ein anderes. Ohne Frage – in diesen stürmischen Zeiten ist es schwieriger geworden, sich politisch und gesellschaftlich zu engagieren. Es erfordert Mut, Haltung und ungeheure Kraftanstrengung, den Gegenwind auszuhalten. Vor allem wenn man selbst zur Zielscheibe des Hasses wird, sobald man sich für Gleichwertigkeit und Meinungsfreiheit einsetzt.
 
Tatenlosigkeit ist keine Option

In der politischen Debatte, in Medien, Kunst und Wissenschaft haben sich längst Ratlosigkeit und Resignation breit gemacht. Es wird nur noch analysiert und akzeptiert – und mit bangem Blick auf die Bundestagswahl geschaut, mit der leisen Hoffnung, dass es vielleicht doch nicht ganz so schlimm wird. Menschenfeindlichkeit, Demokratiemüdigkeit, Medienschelte – all das wird als unabänderlich hingenommen, als gehöre es nun einmal dazu, zu unserer »postfaktischen« Gesellschaft. Doch auch wenn wir diesen Eindruck gewinnen könnten: Dieses düstere Bild entspricht nicht der Realität. Denn die gute Nachricht: Die Menschen engagieren sich trotzdem – vielleicht gerade deswegen! Und dem Freiwilligensurvey der Bundesregierung zufolge werden es sogar immer mehr, die sich engagieren und für die Gesellschaft einsetzen – weil sie diese gestalten wollen, anstatt achselzuckend zuzuschauen. Es ist eine Sache, sich bei einer Wahl einmalig zu befragen, wie wir leben wollen. Die andere ist es, täglich an einer gelebten demokratischen Gesellschaft zu arbeiten. Jetzt ist nicht die Zeit für Resignation und Tatenlosigkeit. Jetzt ist der Zeitpunkt, sich auf die Seite derjenigen zu stellen, die sich der Herausforderung stellen.