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Studentenverbindungen: Kritik im Detail


Die Debatte der Studentenverbindungen um einen „Ariernachweis“ machte Kritik an ihnen scheinbar einfach. Kronauer und Krebs mahnen in ihrem Buch „Studentenverbindungen in Deutschland“ jedoch zu detaillierter Kritik und liefern dafür die inhaltliche Grundlage.


Von Paul Grins

2010 erschien „Studentenverbindungen in Deutschland – Ein kritischer Überblick aus antifaschistischer Sicht“ von Felix Krebs und Jörg Kronauer im Münsteraner unrast Verlag. Doch ist die Relevanz des rund 60seitigen Hefts aktuell größer denn je. Denn interne Debatten um einen Abstammungsnachweis, verschaffen der Kritik an Studentenverbindungen wieder Konjunktur. Das Buch fließt jedoch nicht im Fahrwasser gängiger Kritiken. Muss man die Erkenntnis des Buches von Krebs und Kronauer auf eine Aussage herunter brechen, so wäre es nämlich vielmehr die Warnung, bei eben dieser Kritik nicht zu pauschalisieren. Die beiden Autoren stellen sehr differenziert dar, dass Studentenverbindung eben nicht gleich Studentenverbindung ist. Die ersten Seiten des Buches fassen sowohl die Versuchung der undifferenzierten Kritik als auch die Bedeutung der differenzierten Kritik treffend zusammen.

Anhaltspunkt ist ein Interview mit dem Abgeordneten der NPD, Arne Schimmer, in den Burschenschaftlichen Blättern, der Verbandszeitschrift der Deutschen Burschenschaft (DB). Die DB ist einer der größten und aktuelle der prominenteste Dachverband von Studentenverbindungen.

NPD und DB – (un)vereinbar?


Schimmer, selber Burschenschafter, und seine Partei symbolisieren wie kaum etwas anderes das Verhältnis des Dachverbandes zu der extremen Rechten. Im Jahr 1973 fasste die DB einen Unvereinbarkeitsbeschluss. Wer einer Verbindung des Verbands angehört, kann nicht auch Mitglied in einer rechtsextremen Organisation sein. Zugleich lehnte es die DB aber ab eine Unvereinbarkeit zwischen einer Mitgliedschaft in der DB und der NPD zu beschließen. Wie ist das wiederum miteinander vereinbar? Des Rätsels Lösung: Die DB sieht die NPD nicht als rechtsextrem.

Kronauer und Krebs verdeutlichen mit dem Verweis auf das Gespräch aber noch weiteres. Denn neben dem Interviewpartner ist das Interview an sich ebenfalls beschreibend für die DB. Geführt wurde es von zwei Vertretern des konservativen Flügels des Verbands. Ziel war es eine Konfrontation zwischen den Positionen des NPD Abgeordneten und den „burschenschaftlichen Werten“ zu verdeutlichen. Ergebnis war das allerdings keineswegs. Die Vereinbarkeit zwischen NPD und DB scheint sich also nicht nur auf die Mitgliedschaft, sondern auch auf die Inhalte zu beziehen.

Der Teufel steckt im Detail


Nach der Lektüre der ersten Seiten könnte sich die gemeine Kritikerin also genüsslich zurücklehnen und weiter gegen die neonazistischen und menschenverachtenden Verbindungen wettern. Doch verdeutlichen Kronauer und Krebs mit einem Bericht über die gescheiterte Initiative einiger SPD-Abgeordneter einen Unvereinbarkeitsbeschluss zwischen der DB- und der SPD-Mitgliedschaft herbeizuführen, wie differenziert eine Kritik sein muss, um erfolgreich zu sein und erklären damit die hohe Relevanz ihrer nun folgenden Ausführungen.

Wie vor hundert Jahren


Korporationen sind wie kaum eine andere Organisation traditionsfixiert. Prägend für die im 19. Jahrhundert entstehenden Verbindungen ist unter anderem die französische Revolution, die in ihren Idealen abgelehnt wurde. Aber auch die Kriege zwischen 1813 und 1815, die gegen Frankreich geführt wurden und das Ziel eines einheitlichen deutschen Nationalstaats verfolgten, dienten als Gründungsmotivation. Denn als dies scheiterte, bildeten sich studentische Corps um das Ziel des deutschen Nationalstaats weiter zu verfolgen. In der Folge gewannen Teutomanismus, Antisemitismus und Deutschtum an Bedeutung innerhalb der Verbindungen.

Zusammen mit der Beschreibung der Einbindung von Korporationen in Politik und Gesellschaft, einer Erklärung ihrer frauenfeindlichen Ausrichtung sowie einem interessanten Abschluss über Schülerverbindungen ist das Buch besonders vor aktuellem Hintergrund viel wert. Kritik an Verbindungen wird detailliert aber nicht unverständlich in Kürze zusammengefasst, wodurch das Buch für Einsteigerinnen und Einsteiger interessant wird.

Krebs, Felix / Kronauer, Jörg: Studentenverbindungen in Deutschland. Ein kritischer Überblick aus antifaschistischer Sicht. Münster: UNRAST-Verlag.


Foto: Cover

 

Pest, Pogrome, Paranoia

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