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„Das wird man wohl noch sagen dürfen“


Sachlich, klug und prägnant. Eine neue Handreichung zum Thema Rechtspopulismus ist erschienen. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie Rechtspopulismus als selbstständiges Phänomen betrachtet und fundiert analysiert.

Von Dierk Borstel

In Berlin gründet ein CDU-Hinterbänkler eine kleine Minipartei namens „Die Freiheit“ und erhält dafür ein deutschlandweites Medienecho. Der Blick ins europäische Ausland zeigt, dass rechtspopulistische Parteien geradezu vor der deutschen Grenze zu stehen scheinen. Bei jeder neuen Parteigründung am rechten Rand taucht unweigerlich die Frage auf, ob sich der Rechtspopulismus nun auch in Deutschland breit macht? Das Potential dafür ist da. Knapp ein Fünftel der Bevölkerung neigt nach der Untersuchung zu den „Deutschen Zuständen“ der Universität Bielefeld zu rechtspopulistischen Einstellungen. Das ist Grund genug, das Thema ernst zu nehmen.

Ein selbstständiges Phänomen

Leider geschieht dies in vielen Fällen nicht wirklich. Besonders in politisch links stehenden Kreisen beginnt das Problem schon bei der Definition und in der inhaltlichen Verortung. Munter wird der Rechtspopulismus als eine neue Spielart dem Rechtsextremismus zugeschlagen und bekommt dadurch eine besondere gesellschaftliche Dynamik. Wohltuend sind dann Handreichungen wie diejenige mit dem Titel „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“, die gerade vom Mobilen Beratungsteam Ostkreuz des SPI Berlin unter Anleitung von Carl Chung herausgegeben wurde. Sie nimmt das Phänomen tatsächlich als selbstständiges Phänomen ernst. Ausführlich werden die Unterschiede zwischen dem Rechtsextremismus und dem Rechtspopulismus herausgearbeitet. Rechtspopulismus wird dabei vor allem als politische Strategie und Bewegung verstanden, die sich im Gegensatz zum Rechtsextremismus durchaus innerhalb des Spektrums des demokratischen Verfassungsstaates bewegen könne, obwohl viele ihrer Forderungen und Themenäußerungen das demokratische Klima besonders in Bezug auf schwache Gruppe nachweislich vergiften. Rechtspopulismus wird dabei nicht auf bestimmte Parteien verengt, sondern als Bewegung auch in nachweislich demokratischen Institutionen verstanden.

Rechtspopulistische Argumentationsweisen

Im Gegensatz zu anderen Publikationen arbeiten sich die Autoren dann auch nicht an Organisationen, sondern an rechtspopulistischen Argumentationsweisen ab. Zentrale rechtspopulistische Thesen werden nacheinander vorgestellt, umfassend analysiert und dann mit Fakten und demokratischen Gegenentwürfen konfrontiert. Dieser Teil der Handreichung ist ein ideales Handwerkszeug für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die mit rechtspopulistischen Thesen oder Meinungen konfrontiert werden.

Kühle Analyse

Den Abschluss macht eine Analyse der Kommunikationsstrategie der Rechtspopulisten. Sie zeigt an mehreren Beispielen eindrücklich die Arbeit mit künstlich erzeugten Tabus, die der Rechtspopulismus erst konstruiert und dann zu brechen verspricht. Angenehm ist dabei die geradezu kühle Analyse beispielsweise am Begriff der Deutschenfeindlichkeit. Das damit gemeinte Phänomen wird zunächst nicht bestritten, sondern mit Beispielen belegt und dadurch entmythisiert. Erst danach nimmt der Autor den Begriff an sich auseinander und kritisiert, dass er auch deutsche Staatsbürger künstlich zu „Ausländern“ mutiere lasse und somit zumindest unkritisch mit völkischen Zuschreibungen von Menschengruppen arbeite.

Mit solch kritischen, aber immer fundierten Ausführungen gehört die Broschüre zum Besten, was derzeit zum Rechtspopulismus veröffentlicht wurde. Erfreulich ist auch ihre gute Lesbarkeit, die den Einsatz in der politischen Bildungsarbeit erleichtern sollte.

Die Broschüre kann als pdf kostenlos bezogen werden unter:
www.stiftung-spi.de/download/sozraum/rechtspopulismus.pdf

Eine weitere Broschüre zum Thema Rechtspopulismus in Berlin wurde vom Bündnis "Rechtspopulismus stoppen" herausgegeben:
rechtspopulismusstoppen.blogsport.de/images/broschuere_rechtspopberlin_web.pdf

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Dr. Dierk Borstel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung sowie ehrenamtlich tätig für den Verein „Community Coaching e. V.“

Dierk Borstel im Interview zu Rechtsextremismus in Ostvorpommern

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