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UM EIN JAHR VERSCHOBEN: Erste Großdemo "Schwarzer UND Deutscher" gegen Rassismus

Der 18. Juli 2009 sollte in die Geschichte Deutschlands eingehen. Erstmals wollten schwarze Deutsche in der Bundesrepublik gemeinsam gegen Rassismus auf die Straße gehen unter dem Motto "schwarz & stolz".  Die Initiative geht auf den Rapper Tibor Sturm (Quiet Storm) zurück, der im 20. Jahr des Mauerfalls ein Zeichen setzen wollte - damit auch die unsichtbare Mauer des Rassismus in Deutschland endlich fällt. Jetzt allerdings sprangen angesichts der Wirtschaftskrise wichtige Sponsoren ab, die mit ihrem Geld Flüchtlingen die Teilnahme ermöglichen wollten. Daraufhin hat der Initiatorenkreis den Protestmarsch um ein Jahr verschoben, auf Juli 2010, um sich mit langem Anlauf Mittel zu organisieren.

Von Holger Kulick

Damit auch Asylbewerber in Deutschland an der Aktion teilnehmen können, sollte die "Residenzpflicht", die den Bewegungsradius von Flüchtlingen auf unmenschliche Weise eingrenzt, vom 17. bis 19. Juli für 48 Stunden ausgesetzt werden. Ziel sei, sie ganz abzuschaffen. Anmeldungen, so Tibor Sturm, "gab es im Minutentakt". Vorbild ist für den Rapper der "Million Man March" vom 16. Oktober 1995 in Washington, als es darum ging, der Öffentlichkeit ein anderes, vielschichtiges Bild Schwarzer in den USA zu zeigen, als es durch rassistische Klischees und Vorurteile geprägt war. Dies will auch Tibor Sturm: "Zeigen, wie viele und wie vielseitig wir sind, deutlich machen, worunter wir leiden und eintreten für eine wirklich offene Gesellschaft".  Denn Schwarze in Deutschland "sind genauso ein Teil der Gesellschaft wie alle anderen".

Million Man March, Washington im Oktober 1995. Foto: Wikipedia
Million Man March, Washington im Oktober 1995. Foto: Wikipedia

Foto: Impression vom "Million Man March", Washington im Oktober 1995. Quelle: Wikipedia

Tibor Sturm stellte seine Idee vor einigen Wochen bei MUT und in der Amadeu Antonio Stiftung vor, die ihn bei seinem Vorhaben unterstützen.  "Jeder hat einen Traum, den er verwirklichen möchte", sagte Sturm. Er drücke seine Träume in Songs aus, dieser Traum aber sei an der Zeit, auch in die Wirklichkeit umgesetzt zu werden. So heißt es im Refrain seiner neuesten Komposition:

"Wir sind das, was ihr Nazis gar nicht wollt / Doch wir bleiben, denn wir sind Teil des Volks / Unsere Farbe ist die ERSTE vor Rot und Gold / Wir sind Schwarz und Deutsch - schwarz und stolz
".

Die Hymne einer neuen Bewegung? Warum nicht, sagt Sturm. In dem Songtext, der sich direkt an Neonazis richtet, die ihn 2005 bei einem gemeinschaftlichen Überfall erschlagen wollten und heute noch mit Drohbriefen eindecken (siehe auch MUT vom 16.3.2009), heißt es auch:

"Ich bin wer ich bin und bleib wer ich bleibe / Und das so lang bis ich von dieser Welt scheide / Schreibt euch auf die Fahnen: Ihr könnt sagen was ihr wollt / Ich bin nicht zu schlagen und darauf bin ich stolz / Und diesen Stolz, den kann mir niemand nehmen / Komm erzähl mir was von 'Volk', ich bin Teil des deutschen Lebens".


Tibor Sturm zu Gast bei MUT
Tibor Sturm zu Gast bei MUT

Tibor Sturm zu Besuch in der MUT-Redaktion (Foto: Kulick)

Der Rapper aus dem Kreis der Brothers Keepers ("Yes I am")  will nicht nur deutlich machen, dass Schwarze in Deutschland längst keine Minderheit mehr sind und endlich Gleichberechtigung und Respekt verdienen, sondern sich auch für diejenigen einsetzen, die als Flüchtlinge in Deutschland deprimierend entrechtet leben müssen. Dazu gehört für ihn als ein Ziel die Abschaffung der Residenzpflicht für Asybewerber, die sich nicht aus dem Einzugsgebiet ihrer Unterkunft wegbewegen dürfen, und so kaum eine Chance haben, gleichberechtigt unter Menschen leben und fair eine Existenz aufbauen zu können. Symbolisch sollte sie vom 17.07. bis 19.7.  bundesweit für 48 Stunden ausgesetzt werden, so Tibor Sturm, um allen Betroffenen die Teilnahme an der Aktion in Berlin zu gewährleisten. Die Fahrtkosten sollten gesponsort werden.

Die Demonstration Schwarzer und Deutscher sollte am 18.7. auch  mit einem Videodreh gekoppelt werden, um Tibor Sturms oben zitierten Song auch im Bild zur starken Hymne der neuen Bewegung zu machen. Auch folgende Zeilen, gerichtet an Rechtsextreme und Rassisten, gehören dazu:

"Hier ist das was ihr Spinner nicht hören wollt / Ganz egal wie oft ihr uns zerstören wollt / Unsere Farbe bleibt die erste vor Rot und Gold / Wir sind Schwarz und Deutsch - schwarz und stolz".

Anmeldungen zähle er auf seiner Homepage "derzeit im Minutentakt", berichtet Surm bei einem Besuch in der MUT-Redaktion. Als bislang ältester Teilnehmer habe sich sogar der 84-jährige erste afrodeutsche Schauspieler Theodor Wonja Michael gemeldet, dem die Nazis aufgrund seiner Hautfarbe eine Ausbildung versagten. "Und wenn wir am Ende auch nur 1000 sind", so Sturm, "es wird ein großer und wichtiger Tag".Auch wenn es jetzt erst 2010 stattfindet.

t-shirt-Aufschrift Schwarz und Deutsch
t-shirt-Aufschrift Schwarz und Deutsch

Mehr Informationen zu der geplanten Aktion, finden sich auf einer eigenen Website des Initiatoren: www.schwarz-und-stolz.de (vormals: www.schwarz-und-deutsch.net).

Mehr über Tibor Sturm bei MUT.


MEHR ZUM THEMA RESIDENZPFLICHT:

AKTUELLE Veranstaltungsreihe
des Aktionsbündnis Brandenburg zum Thema Residenzpflicht im Juni und Juli 2009 in mehreren Kleinstädten Brandenburgs

MUT-Archiv: Verhaftung von Felix Otto im April 2009

Spezielle Website von THEVOICE: http://residenzpflicht-apartheid.de

Ausstellung: "Menschenrechte??" Ein Projekt aus Ilmenau (aktion-freiheitstattangst.org)

Broschüre "Keine Bewegung! Broschüre zur Residenzpflicht für Flüchtlinge" bei der Humanistischen Union, dem Flüchtlingsrat und Brandenburgs Landeszentrale für politische Bildung


www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / hk / Titelfoto: Impression bei einem Fussballturnier in Berlin-Mitte (Kulick).

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"Der schwarze Gewinner" - Impression bei einem Fußballspiel in Berlin-Mitte