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Neues Online-Archiv über NS-Zwangsarbeiter

Wie Sklaven nutzte das NS-Regime jüdische und nichtjüdische KZ-Häftlinge, Militärinternierte und Zwangsverschleppte aus - als Zwangsarbeiter. Ein neues Info-Portal „Zwangsarbeit 1939–1945“ erinnert an die über zwölf Millionen Menschen, die für das nationalsozialistische Deutschland Zwangsarbeit leisten mussten. 590 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus 26 Ländern erzählen ihre Lebensgeschichten, die ab jetzt digital abrufbar sind.

Das neue Online-Archiv zum Thema Zwangsarbeit im nationalsozialistischen Deutschland von 1939-1945 wurde am 22. Januar erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Viele Überlebende aus Mittel- und Osteuropa berichten in den nun vorliegenden Interviews erstmals über das Erlittene und die oftmals schwere Zeit nach 1945. Abrufbar sind Erinnerungen jüdischer und nichtjüdischer KZ-Häftlinge, von Sinti und Roma, von Zwangsarbeitern, die im Bergbau, der Industrie oder der Landwirtschaft arbeiten mussten, von italienischen Militärinternierten und von sowjetischen Kriegsgefangenen.

Die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) will mit dem von ihr geförderten Online-Archiv zur Zwangsarbeit die Erinnerungen dieser NS-Opfer wach halten und sie zugleich jungen Menschen und Wissenschaftlern für die politische Bildung und Forschung nutzbar machen“, erklärte EVZ-Vorstand Günter Saathoff in Berlin.

Kooperation von Stiftung EVZ, FU Berlin und dem Deutschen Historischen Museum

Das Online-Archiv wurde seit 2004 vorbereitet. 32 Teams internationaler Institutionen nahmen insgesamt 2000 Bänder mit den Erinnerungen ehemaliger Zwangsarbeiter auf. Im Rahmen einer Kooperation mit der Freien Universität Berlin werden die Aufnahmen von einem wissenschaftlichen Team unter der Leitung von Prof. Dr. Gertrud Pickhan und Prof. Dr. Nicolas Apostolopoulos verschlagwortet und digital archiviert. „Die Sammlung eröffnet mit der Fülle des Materials unzählige Möglichkeiten, neue Erkenntnisse zu gewinnen – sie ist nicht nur für HistorikerInnen eine Fundgrube.“, so Frau Pickhan, Lehrstuhlinhaberin am Osteuropa Institut der Freien Universität.

Registrieren können sich derzeit Studierende, Forschende und Lehrende. Weiterführende Bildungsmaterialien wie biografische Kurzfilme oder Unterrichtsmaterialien sowie eine DVD werden im Herbst zum 70. Jahrestag des Kriegsbeginns vorliegen und der Öffentlichkeit vorgestellt.

Seit 2007 ist auch das Deutsche Historische Museum (DHM) Kooperationspartner des Projektes. Dort kann ab jetzt eine Multimedia-Station genutzt werden, die zwölf Interviews der Öffentlichkeit zugänglich macht. Die dort ausgewählten Interviewpartner bilden die großen Opfergruppen unter den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern ab: eine ukrainische „Ostarbeiterin“, eine polnische Zwangsarbeiterin, ein sowjetischer Kriegsgefangener, Sklavenarbeiter aus Konzentrationslagern und ein italienischer Militärinternierter berichten über unterschiedliche Einsatzbereiche in der Industrie, der Landarbeit, im Bergbau und im Privathaushalt.

"Keine Opferhirachisierung"

Unterstützt wird das Portal auch von Prof. Felix Kolmer, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees und Mitglied des Beirats des Projekts „Zwangsarbeit 1939–1945“. „Uns ehemaligen Zwangsarbeitern ist es wichtig, dass wir in diesem Zeitzeugenarchiv keine Unterscheidung oder gar Opferhierarchisierungen machen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Opfern, zwischen polnischen, tschechischen, ukrainischen oder russischen und italienischen Zwangsarbeitern. Alle diese Zwangsarbeiter, die ja auch das Gesamtsystem der deutschen Zwangsarbeit repräsentieren, sind exemplarisch mit ihren Leidens- und Überlebensgeschichten vertreten und in ein gemeinsames Angedenken eingeschlossen.“


Zur neuen Website: http://www.zwangsarbeit-archiv.de/

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Foto: Arbeitskarte Anna P., Linz 1943. Copyright: EVZ / hk