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Neue Hörbücher gegen Nazis...


Und eine außergewöhnliche Lesung in Hamburg mit Uwe Storjohann, Bettina Tietjen und Spielern des FC St. Pauli...


Von Jörn Menge

Die Initiative "Laut gegen Nazis" will in Zusammenarbeit mit Universal Music in Berlin demnächst neue Hörbücer produzieren, auf denen Prominente Texte verbotener und verfolgter Autoren aus dem Dritten Reich vortragen. Mit dabei sind voraussichtlich Smudo und Silbermond. In Hamburg wurde unterdessen ''live'' gelesen - auch Fußballspieler waren dabei.


Am Montag, den 6. November 2006 traf sich eine kleine Gemeinde in dem Konferenzraum XXL im „Fünf Sterne“ Hotel „Side“ in Hamburg, um ungewohnten Vor-Lesern zu lauschen.

Den Beginn machte Uwe Storjohann (81 Jahre alt) als Autor des Buches „Hauptsache überleben“, der als überlebendes "Swing Kid" über die ständige Angst vor den Nazis berichtete. Die Swing Kids waren dem Regime ein Dorn im Auge. Als Fans amerikanischer Jazz- u. Swingmusik wurden sie verfolgt und gerieten immer an Grenzen. Das Risiko einer Verhaftung und Deportation in ein KZ hatte Bestand und wurde so manch einem zum Verhängnis. Hamburg war die Hochburg dieser Bewegung. Mit der ständigen Angst im Nacken haben die Kids damals alles noch so Verbotene ignoriert, um ihre Musik zu genießen . Über diese Angst berichtete Uwe Storjohann mit viel Humor. Diesem Mann zuzuhören ist trotz des ernsten Themas eine Freude. Uwe Storjohann ruft heute mit dem Hinweis auf unsere Verantwortung dazu auf, sich gegen die aktuellen Anfänge zu wehren. Beeindruckend.





Gespannt warteten alle Zuschauer auf die FC St. Pauli Spieler Timo Schulz und Benedikt Pliquett, für die es eine Selbstverständlichkeit war, sich auf einem für Fußballer völlig fremdem Terrain zu präsentieren. Timo Schulz verlas charmant Gedichte von Ringelnatz und bezog bei seiner Einleitung und Verlesung der Biografie des Autors das Publikum mit ein, indem er Wissen über Ringelnatz abfragte. Fast professionell vertonte er die ihm vorliegenden Texte. Benedikt Pliquett suchte sich Texte des zwischen 1935 und 1945 mit Auftrittsverbot belegten und des Öfteren verhafteten Kabarettisten Werner Fink aus. Das Publikum merkte, dass es ihm ein inneres Anliegen war, diese Werke zu lesen. Beide Spieler berichteten außerdem über ihre Erfahrungen mit dem Rechtsradikalismus im Fußball. Oft wurden Sie als Repräsentanten des FC St. Pauli verbal von gegnerischen, offensichtlich rechtsradikal eingestellten Fans bedroht. Beide wünschten sich mehr Engagement des DFB und der einzelnen Vereine.




Den dritten Part der Lesung übernahm die NDR-Moderatorin Bettina Tietjen, die ebenfalls unkompliziert und ohne Gage für den Abend zusagte, um ein Zeichen zu setzen. Sie las aus der Geschichte „Transit“ von Anna Seghers und fesselte das Publikum mit dem Bericht einer Frau, die den ganzen Wahnsinn auf ihre Art beschreibt. Rund eine Stunde lang lauschte das Publikum dem Vortrag. An der Stimmung war zu merken, dass sich jeder mit dem Gehörten auseinandersetzte.

Nach der Lesung bot der Raum die Möglichkeit einer Diskussion, die durch einen Gast angeregt wurde. Alle, die zugegen waren, hatten nach der Veranstaltung das Gefühl, sie müssen etwas gegen den ansteigenden Rechtsradikalismus tun. Wir wiesen auf unsere Kampagne und auf die Amadeu Antonio Stiftung hin, bei der jeder einzelne die Möglichkeit hat, sich zu engagieren und junge Initiativen zu fördern.

Das Schlusswort hatte Uwe Storjohann, der ein Plädoyer für einen frühen Widerstand hielt und ein Zeichen als Überlebender einer Zeit setzte, die niemand zurück haben will.

Neue Hörbuchreihe



Eine erste Reihe Hörbücher hat
Laut gegen Nazis bereits im vergangenen
Jahr mit Joachim B. Kerner, Smudo
und anderen produziert.

Nahezu zeitgleich veröffentlichte Laut gegen Nazis die folgende Meldung: " Der internationale Musikkonzern Universal Music mit Sitz in Berlin unterstützt unsere Kampagne mit einer neuen Hörbuchreihe. Aus den CD-Erlösen werden große Anteile an die Amadeu Antonio Stiftung Berlin zugunsten von Projekten gegen Rechtsextremismus und Rassismus gespendet. Das Konzept der Hörbücher wurde zudem erweitert; geplant sind nicht nur Auszüge aus Werken von Autoren, die zwischen 1933 und 1945 von den Nazis verboten wurden und deren Bücher verbrannten, sondern es sollen weit reichende authentische Texte mit Auszügen aus literarischen Werken kombiniert werden: Opferberichte werden Gerichtsprotokollen und historischen Gegebenheiten gegenüber gestellt. Briefwechsel von bekannten Widerstandskämpfern erhalten über deren Vertonung emotionalen Tiefgang.

Unsere Historiker recherchieren derzeit auch Texte von Kabarettisten, die damals Auftrittsverbot erhielten oder gar verhaftet wurden. Ein umfangreiches Booklet zum jeweiligen Hörbuch beinhaltet die historischen Zusammenhänge der gelesenen Texte, gepaart mit aktuellen Entwicklungen. In Zusammenarbeit aller Beteiligten - wie der KZ Gedenkstätte Neuengamme, den Historikern Andreas Strippel und Volker Mund und unseren prominenten Vorlesern - wollen wir Hörprodukte schaffen, die nicht nur als Konsumgut verkauft werden, sondern auch als Lehrmittel verwendet werden können. Smudo (Die Fantastischen Vier), Jo Brauner (Ex-Chefsprecher der Tagesschau) und Julia Westlake (TV-Moderatorin) haben bereits fest als Sprecher zugesagt. Weit mehr als nur Interessensbekundungen liegen uns von weiteren Musikern und prominenten Persönlichkeiten vor".


Zu Laut gegen Nazis: >klick


© www.mut-gegen-rechte-gewalt.de - 11.10.2006