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Entscheidung im Fotowettbewerb

Woher kostenlos für eine Schüler- oder Jugendzeitung Fotos beziehen, die sich hintergründig mit Rechtsextremismus befassen ohne nur Glatzen-Klischees zu zeigen? Eine Lösung: beim MUT-Portal anfragen. Zweite Lösung: bei Jugendfotos.de downloaden. Denn dort ist soeben ein bundesweiter Jugendfotowettbewerb zu Ende gegangen. Das Thema: "Gesinnungslos! Was ist Rechts?" Mehr als 530 Motive wurden bewertet. MUT saß am 26. Juli mit in der Jury...

Von Holger Kulick


Ein dämmriger Raum, fünf Jurymitglieder, ein sechseckiger Holztisch vollgestellt mit Kaffetassen Wasserflaschen und Colagläsern, dazwischen werden 21 Fotos hin- und hergeschoben. "Das fliegt raus, ist das Konsens?", "Kann sich hiermit jemand anfreunden?", "Das ist meine Nummer eins, wer sieht das noch so?", "Ich find ja das hier viel besser", "Viel zu unscharf", "Aber dafür genial um die Ecke gedacht", "Aber der Hintergrund...". Rund drei Stunden werden Bild für Bild gute Argumente ausgetauscht, dann endlich ist Konsens hergestellt.

Fotos auf Tisch mit Jurymitglied im Hintergrund
Fotos auf Tisch mit Jurymitglied im Hintergrund

Bevor sich die hier ausgebreitete Endauswahl von rund 20 Bildern ergeben hat, musste jeder Juror im Internet alle Einsendungen sichten. 531 Bildmotive kamen insgesamt in die Wertung, zum Teil gingen sie in mehrerern Bild-Variationen ein. Dem voran ging ein Aufruf von Jugendpresse, Netz gegen Nazis, SchülerVZ und Jugendfotos.de :

"Unter dem Motto „Gesinnungslos! Was ist rechts?“ werden Fotos gesucht, die sich gegen rechtsextremes Gedankengut wehren. Gesinnung ist eine Grundhaltung und Denkweise des Menschen. Diese wird für Handlungen, Zielsetzungen, Aussagen und Urteile zugrunde gelegt.
Um die Ecke denken ist dabei erwünscht! Bilder bewegen viel.
Auf Jugendfotos.de, der Fotoplattform für junge Medienmacher, kannst du deine Fotos in einem offenen und kreativen Pool zur Thematik Ausländerfeindlichkeit, deutsche Identität, Integration und Umgang mit anderen Kulturen in Deutschland einreichen".

Teilnehmen konnten junge Fotografen, ganz egal ob Schüler oder schon in Beruf oder Ausbildung. Höchstalter war 27, der Einsendeschluss der 20. Juli 2008. Angenehm überrascht war die Jury, wie nachdenklich und kreativ eine ganze Reihe Bewerber das Thema angingen, darunter junge Hobby-, aber auch schon Profifotografen. In der Jugendfoto-Community konnten die Motive öffentlich eingestellt sowie untereinander hinterfragt und diskutiert werden. Als Preise winkten eine Profikamera und hochwertige Bildbearbeitungsprogramme.

Auf diese drei Hauptpreisträger verständigte sich die Jury nach einer intensiven Debatte:
Die drei Gewinnerfotos
Die drei Gewinnerfotos

1. Jeder kann es sein...
von Thomas Langenfeld (26)
http://www.jugendfotos.de/pictures/show/36782
(Zur Bildbetrachtung bei Jugendfoto.de registrieren lassen).

Die Begründung der Jurorinnen und Juroren: Das Foto (o.) hat die Jury auf Anhieb überzeugt, sowohl was Inhalt als auch fotografische Qualität betrifft. Das gekonnt inszenierte Motiv des gewalttätigen Biedermanns beantwortet die Fragestellung "Was ist rechts" ohne in übliche Klischees zurückzufallen.
In der Bildbeschreibung des Fotografen heißt es:

"Jeder kann es sein...denn überall in unserer Gesellschaft und unserer Reihen lauert der Drang schechtes und rechtes zu verbreiten. Vom armen kleinen Leuten aus unserer Nachbarschaft bis hin zu politischen Größen und ganzen Weltmächten. Macht die Augen auf und schaut was um euch geschieht. Damals fing es doch auch klein an. Kleine Lügen führen zu grpßen Dummheiten."

2. Angebissen
von Leonard Billeke (19)
http://www.jugendfotos.de/pictures/show/36351

Das Foto (l.) hat die Jury aufgrund seiner subtilen Symbolik und deren Umsetzung überzeugt. Mit starken Kontrasten erzählt das Bild davon, wie leicht sich gesinnungslose Jugendliche von Rechtsradikalen ködern lassen und regt stark zum Nachdenken an.
Der Fotograf schreibt zu seinem Motiv:

"Der Blinker an der Angel weckt das Interesse des Fisches, welcher etwas zu Fressen vermutet. Genauso locken rechte Gruppen z.B. mit Rechtsrock und Gemeinschaftsgefühl. Nachdem das Opfer angebissen hat ist es hilflos und kommt aus eigener Kraft nicht mehr frei."

3. Gedankenwetter
von Jan Rönnpagel (18)
http://www.jugendfotos.de/pictures/show/30501

Im Fokus steht hier (r.), was rechtsradikale Ideologie inhaltlich ausmacht und wie wichtig es ist, sich hiergegen zu schützen. Der Fotograf hat dies aufwändig und einfallsreich umgesetzt und dabei gekonnt "um die Ecke gedacht". Seine Beschreibung zu dem Bild, auf dem Zettel mit der Aufschriften "Hass", "Lüge", "Diktatur", "Terror" auf ein junges Mädchen niederprasseln:

"Eltern, lasst eure Kinder nicht ohne Schirm aus dem Haus!"

Eigentlich waren nur drei Hauptpreise vorgesehen, mindestens zwei der eingereichten Motive waren der Jury dann aber einhellig noch einen weiteren - spontan von der MUT-Redaktion gestifteten - Sonderpreis wert:

Zwei Zusatzpreisträger
Zwei Zusatzpreisträger

Für besondere Bildideen werden die Fotos "Weggeschaut..." (l.) http://www.jugendfotos.de/pictures/show/28219 von "Lennart93" und "Was ist rechts?" http://www.jugendfotos.de/pictures/show/32510 von "Nata-Lee" mit einer CD ''Starke Stimmen gegen Rechts“ und dem Fotobuch "MUT-ABC für Zivilcourage" der Redaktion www.mut-gegen-rechte-gewalt.de ausgezeichnet.

Das Bild "Was ist rechts?" (r.) zeigt einen zusammengetackerten Apfel. In der Beschreibung der jungen Fotografin heißt es:

"Lass dir keine falsche Seite antackern- Dieser Apfel hat sich eine falsche Seite zugelegt bzw. es wurde eine Hälfte von ihm ausgetauscht: die RECHTE Seite. Sie ist alt und vergammelt und stellt somit 'das Böse' dar, das irgendwann den ganzen Apfel befallen und zerstören kann.Man sieht, dass ihm die schlechte Hälfte angetackert wurde und somit aufgezwungen. Leider ist es auch heute noch immer öfters der Fall, dass Menschen absichtslos in die rechtsextreme Szene geraten und sich machtlos fühlen etwas dagegen zu unternehmen."


Zusatzpreisträger "Weggucken"
Zusatzpreisträger "Weggucken"

Das zunächst unscheinbare Bild "Weggeschaut" imponierte, weil es den zweiten Blick erfordert. Der Naziungeist im Alltag, symbolisiert durch das Hakenkreuz zwischen den Passanten, fällt auf den ersten Blick fast nicht auf. Fotograf Lennart aus Bielefeld schreibt dazu: "Nur um es klarzustellen: Das Foto ist keineswegs rechtsextremistisch.Es kritisiert, dass viel zu oft einfach weggesehen wurde!".

Wer die Fotos im Original betrachten, die Erläuterungen lesen und mit den Fotografen darüber diskutieren möchte, muss sich zunächst (unkompliziert) unter: "www.jugendfotos.de" anmelden. Wer dort eingestellte Motive für nonkommerzielle Schüler- und Jugendzeitungen nutzen will, kann das nach bestimmten, dort nachlesbaren, Regularien tun. Für Medien der rechtsextremen Szene ist die Nutzung allerdings ausgeschlossen.

Weitere Fotos, die in die Auswahl kamen, liegen auf dem Tisch
Weitere Fotos, die in die Auswahl kamen, liegen auf dem Tisch

Zehn weitere Einsender, die nach einem Punktevergabesystem in die Endauswahl kamen, erhalten noch eine 'lobende Erwähnung' und einen kleinen Trostpreis zugeschickt. Und wichtig für alle anderen: Der nächste Wettbewerb kommt bestimmt...

Zu Jugendfotos.de
Zu den Preisträgern.

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / hk

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Foto mit Glatze