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Wenn Soziale Netzwerke Raum für rechten Lifestyle schaffen

Die Ewiggestrigen haben die Zukunft entdeckt. Nazis wissen ganz genau, wie sie das Internet, vor allem die Sozialen Netzwerke, für ihre Zwecke nutzen können. Die Strategien der Rechtsextremen zu (er)kennen, ist ein wichtiger Schritt, um sich und andere User/innen vor braunen Aktivitäten im Netz zu schützen.

Von Philipp Reichert

Soziale Netzwerke, Internetforen und Blogs sind aus dem Alltag kaum noch wegzudenken. Facebook, Twitter und andere regionale Internetplattformen, die gemeinsam das Web 2.0 bilden, erfuhren in den vergangenen Jahren Hochkonjunktur. Nach Aussagen des englischen Informationsanbieters Datamonitor werden 2012 circa ein Drittel der in Deutschland lebenden Personen Soziale Netzwerke nutzen.

Die Tatsache, dass auch Neonazis in Internetplattformen aktiv sind, ist somit keine Überraschung. Dass diese allerdings Bestandteil einer Strategie sind, menschenverachtendes Gedankengut offensichtlich wie versteckt in die Gesellschaft zu tragen, wird leider oftmals auch von den Betreiber/innen solcher Communities nicht erkannt.

Bedrohung, Hass und Nachwuchswerbung

Soziale Netzwerke bieten Neonazis – neben dem alltäglichen Pflegen sozialer Kontakte – allerlei Möglichkeiten, ihre Szene nach außen hin zu vergrößern, sie gleichzeitig aber auch nach innen zu stabilisieren. Menschen, die nicht in das völkische Weltbild passen, werden gedemütigt und gezielt bedroht, Nachwuchs – oftmals durch neonazistische Musik und Videos, die unbehelligt in großem Umfang verbreitet werden – an die Szene herangeführt. Durch geschlossene Gruppen und Foren entsteht ein Raum, in dem Neonazis, so einfach wie nie, gemeinsam Aktionen planen und für Veranstaltungen werben können. Darüber hinaus ist es ihnen möglich, sich überregional zu vernetzen, zu diskutieren und somit ihr Gedankengut zu festigen.

Zur gegenseitigen Erkennung werden einschlägige Namen genutzt, die eine Verbindung zur Naziszene direkt erkennen lassen. Beliebt sind besonders Zahlencodes wie 88 (für Heil Hitler), 18 (für Adolf Hitler) und 28 (für das in Deutschland verbotene faschistische Musiknetzwerk Blood & Honour). Aber auch Buchstabenkürzel wie NS (für Nationalsozialismus oder Nationaler Sozialismus) und Bezüge zur germanischen Kultur werden häufig gebraucht.

Aufklärung ist notwendig!

Seit einiger Zeit gibt es zahlreiche Projekte und Kampagnen – empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang die von der Amadeo Antonio Stiftung herausgegebene Broschüre Zwischen Propaganda und Mimikry-Neonazi-Strategien in Sozialen Netzwerken, die einerseits Nutzer/innen solcher Plattformen informieren und im Umgang mit Neonazis im Internet schulen. Andererseits beraten sie aber auch die Betreiber/innen Sozialer Netzwerke, sodass diese gezielt gegen neonazistisches Gedankengut auf ihren Seiten vorgehen können.

Solche Aufklärungsarbeit hat dazu beigetragen, dass es nun viele Soziale Netzwerke, beispielsweise Wer-Kennt-Wen, Schüler-VZ und Kwick! gibt, welche die Profile von Neonazis sperren und deren Aktivitäten nicht dulden. Oftmals wird Nutzer/innen die Möglichkeit gegeben, die Betreiber/innen über unangebrachte Personenprofile zu informieren und diese dadurch prüfen zu lassen. Leider finden sich dennoch einige Communities, die eben diese Maßnahmen nicht beherzigen und Neonazis somit bedeutsamen Raum bieten. So auch die im Saarland bei Jugendlichen beliebte Community Pushd, bei der zahlreiche Neonazis aktiv sind. Dort posieren sie auf Bildern mit Waffen vor Hakenkreuzfahnen, verbreiten Lieder aus dem Nationalsozialismus und werben für den Wahlkampf der NPD. Die Allgemeinen Geschäftsbediungen von Pushd untersagen zwar „die Verbreitung (…) solcher Inhalte (…)[,] die geeignet sind, Rassismus, Fanatismus, Hass, körperliche Gewalt oder rechtswidrige Handlungen zu fördern bzw. zu unterstützen (jeweils explizit oder implizit)“, Profile von Neonazis existieren allerdings oftmals über viele Monate, wenn nicht sogar Jahre hinweg. Nutzer/innen wird darüber hinaus nicht die Möglichkeit gegeben, andere Nutzer/innen zu melden, um somit auf menschenverachtende Inhalte hinzuweisen.

Aktiv im Netz gegen Nazis

Solche Beispiele verdeutlichen, wie wichtig Aufklärungsarbeit im Internet ist, um menschenverachtende Ideologien aus dem Alltag zu verbannen. Nutzer/innen Sozialer Netzwerke sollten Personen, die von Diskriminierung betroffen sind, zur Seite stehen und die Betreiber/innen dieser Plattformen über neonazistische Aktivitäten informieren. Diese hingegen müssten die Möglichkeit nutzen, Diskriminierung zu unterbinden und menschenverachtenden Ideologien aus den Plattformen zu entfernen.
Das Internetportal www.netz-gegen-nazis.de ist schon seit Jahren im Internet aktiv gegen Neonazis, klärt über deren Strategien und gibt praktische Tipps, wie man sich der braunen Brut in den Weg stellen kann, ob virtuell oder im ganz realen Leben. Im Forum diskutieren die User/innen alle Fragen rund um das Thema und bieten sich dabei häufig gegenseitig Argumentationshilfen gegen rechte Stammtischparolen.

Das noch junge Projekt no-nazi.net richtet sich in erster Linie an Schülerinnen und Schüler zwischen 13 und 18 Jahren, die im Social Web unterwegs sind und ihre Profile auf verschiedenen Plattformen haben. no-nazi.net möchte eine Gemeinschaft von Jugendlichen aufbauen,  die Lust haben, sich dauerhaft gegen rassistisches, antisemitisches oder islamfeindliches Gedankengut zu engagieren. Dies soll gemäß demokratischer Werte passieren, mit Humor und guten Ideen, ohne selbst andere abzuwerten und auch, ohne sich selbst zu gefährden. Die Themen sind Neonazismus, Demokratie, Vorurteile, Menschenrechte, Meinungsfreiheit und ihre Grenzen, Medienkompetenz in den Sozialen Netzwerken, achtsame Streitkultur, Gewaltfreiheit und Aktivismus im Internet.

Netz gegen Nazis und no-nazi.net haben kürzlich mit Facebook einen gemeinsamen Flyer entwickelt, der aufklärt, was User/innen gegen Nazis auf Facebook tun können. Der Flyer wurde in einer Print-Auflage von 100.000 Stück erstellt und steht unter http://no-nazi.net zum Download bereit.
 

Nazis im Netz - mal subtil und mal ganz offen, wie hier im Netzwerk "pushd", Foto: Screenshot