Sie sind hier

Sprengstoff entschärfen!

Am Freitag den 8. Juni 2011 demonstrierten rund 1.000 Menschen unter dem Motto "Schöneweide ist unser Kiez! Nazistrukturen aufdecken und bekämpfen! Hexogen dichtmachen!" gegen die Eröffnung des neuen Laden „Hexogen“ in Berlin.

Ein leichter Wind weht über die Köpfe hinweg, die Sonne erwärmt die Luft, die Vögel zwitschern. Doch Trillerpfeifen und Parolen durchschneiden die Ruhe. Eine Ruhe, die es so gesehen in Schöneweide lange nicht mehr gibt. Grund ist die geplante Eröffnung des neuen Ladens „Hexogen“ in der Brückenstraße in Schöneweide, dort soll es bald „Alles für den Aktivisten“ geben, heißt es auf dem Eröffnungsflyer. In unmittelbarer Nähe des Ladens befindet sich die Kneipe „Zum Henker“, hier verkehren bekanntermaßen Neonazis des aktiven Spektrums der freien Kameradschaften. „Schöneweide hat sich mittlerweile zu einer Art Rückzugsraum für Nazis entwickelt“, heißt es von einem der Organisatoren der Demonstration des Antifaschistischen Bündnisses Südosten (ABSO).

 

Abgeführter Demonstrationsteilnehmer
Abgeführter Demonstrationsteilnehmer


Neben dieser zunehmenden Etablierung der Szene, lässt sich auch eine steigende Aktivität beobachten. „Sachbeschädigungen oder Angriffe auf Andersdenkende sind keine Seltenheit“, erklärt der Mensch vom ABSO. Beispielsweise wurden am 6. März die Räume des "Zentrum für Demokratie" von Neonazis mit Flaschen beworfen und die Fassade mit Hakenkreuzen beschmiert. „Ziel dieser Demonstration und anderer Aktivitäten, ist es den Angstraum Schöneweide zu brechen“, heißt es vom ABSO. Doch nicht nur um die direkte Präsenz vor Ort geht es heute. „Es soll auch eine klare inhaltliche Botschaft vermittelt werden“.

Zum Führer, zum Henker
Zum Führer, zum Henker


In einzelnen Redebeiträgen wird direkt auf die Aktivität der Neonazis eingegangen. Auch die Verwicklung der Kneipe „Zum Henker“ mit dem „Hexogen“ wird thematisiert. Sebastian Schmidtke und Paul Barrington sind zwei Namen, die in diesem Zusammenhang häufiger genannt werden. Ersterer ist der Vizevorstand des NPD Landesverbandes und ist in der Vergangenheit durch enge Verbindungen zur freien Kameradschaftsszene, wie ehemaligen Mitgliederinnen und Mitgliedern des verbotenen Frontbann 24, aufgefallen.

Brückenstraße
Brückenstraße


Außerdem trat Schmidtke in letzter Zeit häufig als Demonstrationsanmelder auf. So auch bei der lang geheim gehaltenen Demonstration auf dem Mehringdamm in Berlin Kreuzberg am 14. Mai 2011, in deren Verlauf mehrere Neonazis Jagd auf Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten sowie Migrantinnen und Migranten machten. „Allgemein ist die Naziszene in Schöneweide homogen, sehr NS-lastig und nicht bürgerlich, wie etwa in Sachsen“, stellt der Mensch vom ABSO fest.

Zum Henker
Zum Henker


In der Brückenstraße angekommen macht die Demonstration zwischen dem "Henker" und dem "Hexogen", die nur wenige Meter auseinander liegen, halt. In einem „Grußwort an Schmidtke“ fordert ein Redner den Inhaber des Ladens auf sich seine Entscheidung noch mal zu überdenken. Mit einem Verweis auf die kraftvolle Demonstration sagt er: „Nehmen Sie lieber Abstand von dem Vorhaben, sonst werden in Zukunft häufiger Besuche dieser Art vorbeikommen.“ In Anspielung an den Namen des Ladens, der einen im zweiten Weltkrieg häufig genutzten Sprengstoff bezeichnet, sagt der Redner treffend „Sprengstoffe müssen entschärft werden!“ Mit einem „unfreundlichen auf Wiedersehen“ setzt sich die Demonstration wieder in Bewegung und endet dann am Bahnhof Schöneweide.

Wie wichtig die Demonstration und weitere Veranstaltungen der Zivilgesellschaft gegen Neonazis sind, zeigt eine Äußerung einer Passantin. Auf Nachfrage sagte sie, dass sie diesen ganzen Auflauf nicht verstehen kann. Denn mit Neonazis hatte sie bis jetzt keine Probleme in Schöneweide. „Egal was sie anhatten, sie waren immer nett.“ Doch gerade auch gegen solche Unwissenheit und Akzeptanz dienen Demonstrationen wie diese.

1_frontbanner.jpg

Schöneweide ist unser Kiez