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Ignorieren ist keine Option: Rechtsextreme Parteien in Kommunalparlamenten

Nach den letzten Kommunalwahlen saßen Ende 2009 bundesweit über 350 Abgeordnete für die NPD und andere rechte Kleinstparteien wie die „Pro“-Formationen oder die „Republikaner“  in kommunalen Gremien. Jetzt, fünf Jahre später, stehen in 10 Bundesländern erneut Kommunalwahlen an; in Bayern wurde bereits im März dieses Jahres auf kommunaler Ebene gewählt. Rechtsextreme Parteien machen mobil. Doch es gibt eine Vielzahl von Handlungsoptionen demokratischer Parteien für den Umgang mit rechtsextremen Abgeordneten in Kommunalparlamenten.

Von Sophie Bose und Lisa Herbst

Ein Blick in das Parteiprogramm der NPD genügt

Die NPD steckt in den Wahlkampfvorbereitungen und versucht insbesondere mit rassistischer Hetze gegen Asylsuchende Stimmen für sich zu gewinnen. Mit Wahlsprüchen wie „Geld für die Oma, statt für Sinti und Roma“ oder „Vorbild Schweiz: Masseneinwanderung stoppen  – Volksabstimmung jetzt!“ versucht sie sowohl auf kommunaler Ebene als auch im Europawahlkampf die Bürgerinnen und Bürger von ihrer Ideologie zu überzeugen. Sollte die NPD oder andere rechtsextreme Parteien erneut in die Kommunalparlamente einziehen, müssen sich die Abgeordneten der demokratischen Parteien damit auseinandersetzen, wie sie mit den Abgeordneten umgehen wollen. Dafür können sie auf Erfahrungen aus den letzten Jahren zurückgreifen.

Wichtig ist es daher, das Verhalten der NPD-Abgeordneten und deren Verhältnis zur Demokratie zu beleuchten: Ein Blick in das Parteiprogramm der NPD genügt, um zu verstehen, dass die NPD gegenüber der Demokratie feindlich eingestellt ist. Es geht ihr nicht darum, im Parlament tatsächlich Lösungen auf politische Probleme zu finden, demokratische Entscheidungen zu treffen und einen Konsens zu bilden. Die Vorstellungen der NPD von Staat und Gesellschaft beruhen auf der Idee einer „homogenen Volksgemeinschaft“ und einer „grundsätzliche[n] Einheit von Volk und Staat“. In diesem Sinne steht der Staat über den Interessen einzelner Gruppen, Verbände und demnach auch Parteien und nimmt „die Gesamtverantwortung für das Volksganze“ wahr. Angesichts dessen müssen die „gemeinwohlschädigende Dominanz der Parteien“ zurückgedrängt und die Rechte des Parlaments stark eingeschränkt werden.

Rechtsextreme Abgeordnete zeigen sich „volksnah“

Rechtsextreme Abgeordnete nutzen ihre Mandate, um sich als „volksnah“ und ehrlich zu inszenieren und die etablierten Parteien im Gegensatz dazu als „verlogen“ zu überführen. Außerdem kann die Präsenz rechtsextremer Parteien im Parlament zu ihrer verstärkten Normalisierung führen, sodass extrem rechte Positionen zunehmend als legitimer Teil des demokratischen Meinungsspektrums betrachtet werden.

Das Verhalten der Abgeordneten rechtsextremer Parteien in den Parlamenten ist sehr unterschiedlich. Es reicht von vollkommener Inaktivität über fleißige parlamentarische Kleinarbeit bis zu gezielten Provokationen. Um die rechtsextreme Stammwählerschaft anzusprechen, werden einerseits rassistische, nationalistische und geschichtsrevisionistische Anträge gestellt. Zum Beispiel hat die NPD in der Berliner Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg 2009 die „Umbenennung der Migrationsbeauftragten in Ausländerrückführungsbeauftragte“ gefordert. Häufiger kommt es jedoch vor – zum Beispiel im Sachsen-Anhalter Harzkreis, in den BVV und in Radevormwald in Nordrhein-Westfalen – dass die NPD-Abgeordneten Anträge zu kommunalpolitischen Sachthemen stellen, in denen der Bezug zur rechten Ideologie nicht oder kaum ersichtlich ist. Mit derartigen Anträgen versuchen rechtsextreme Abgeordnete, ihre gesellschaftliche Ächtung zu überwinden und weitere Wählerinnen und Wähler zu gewinnen. Zum Teil besetzen sie Themenfelder anderer Parteien, sodass diese den Anträgen eigentlich zustimmen müssten.

Rechtsextreme in Kommunalparlamenten: Ignorieren ist keine Option

Wie sollen sich die demokratischen Parteien nun gegenüber den Vertreterinnen und Vertretern der NPD und anderer rechtsextremer Parteien verhalten? Welche Erfahrungen gibt es bisher im Umgang mit ihnen in den Kommunalparlamenten? In Sachsen war es lange Zeit offizielle Regierungspolitik, das Problem zu ignorieren. Sächsische Städte und Gemeinden, die darauf hinwiesen, wurden als „Nestbeschmutzer“ verunglimpft. Die Erfahrung zeigt, dass eine derartige Vermeidung der Auseinandersetzung mit der NPD und anderen rechtsextremen Parteien sie nicht bekämpft hat, sondern im Gegenteil eine Erfolgsbedingung für die Verfestigung extrem rechter Strukturen war.

Nach den Erfahrungen in Sachsen haben sich in den BVV, den Gemeinderäten des Sachsen-Anhalter Harzkreises und des Salzlandkreises hingegen die demokratischen Fraktionen im Vorfeld auf einen geschlossenen Umgang mit der NPD geeinigt. Es bestand der Konsens, keinem Antrag der NPD zuzustimmen und keine Bündnisse und Absprachen mit ihr einzugehen. Die Ablehnung der von der NPD eingebrachten Anträge sollte aber kurz inhaltlich begründet werden: „Schwierige“ Themen sollen nicht der NPD überlassen, sondern von den demokratischen Parteien aufgegriffen werden. Aber auch in Kommunalparlamenten mit Vertreterinnen und Vertretern anderer rechtsextremer Parteien wurden ähnliche Absprachen getroffen, zum Beispiel in Köln im Umgang mit Abgeordneten von „Pro Köln“. Im Landkreis Harz haben die demokratischen Fraktionen diese Absprachen in einer gemeinsamen öffentlichen „Harzer Erklärung“ festgehalten. Auf Bundesebene entspricht dem der „Berliner Appell der Demokrat/innen“ (nachzulesen in unten aufgeführter Studie „Die NPD in den Kreistagen Sachsen-Anhalts“).

Rechtsextreme Äußerungen in den Sitzungen

Im parlamentarischen Prozess ist es in vielen Kommunalparlamenten tatsächlich gelungen, die NPD-Abgeordneten weitgehend auszuschließen, ihre Initiativen in den meisten Fällen geschlossen abzulehnen und inhaltlich zu wiederlegen. Dies war für die NPD ein Anlass, sich als Opfer des „Kartells“ der größeren Parteien und als eigentliche Vertreterin der Demokratie darstellen. Allerdings erhielten NPD-Anträge in einigen Fällen doch vereinzelte Stimmen demokratischer Abgeordneter, zum Beispiel im sächsischen Strehla oder im Harzkreis in Sachsen-Anhalt. Dies wertete die NPD als Erfolg gegen die Geschlossenheit der demokratischen Parteien und als Zeichen ihrer zunehmenden Akzeptanz und äußerte dies in der Öffentlichkeit auch auf diese Weise. Im Kreisrat des Harzkreises kam es, entgegen der Übereinkunft in der „Harzer Erklärung“, kaum zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den völkischen und antidemokratischen Überzeugungen der NPD. Rechtsextreme Äußerungen in den Sitzungen wurden kaum zurückgewiesen, auch wenn vereinzelt Abgeordnete reagierten. Im Interesse eines zügigen Sitzungsverlaufs verzichteten die Abgeordneten jedoch meist auf eine inhaltliche Auseinandersetzung. Hier zeigt sich das Problem, dass Kommunalpolitik rein ehrenamtlich ist und die Abgeordneten neben ihrem eigentlichen Beruf nur selten die Zeit finden, sich intensiv mit der NPD und ihrer Ideologie bzw. der Definition von Rassismus und Rechtsextremismus auseinanderzusetzen.

Politisierte öffentliche Plätze sind nötig, um Rechtsextremen entgegen zu treten

Die NPD und andere rechtsextreme Parteien sind nicht nur im Parlament, sondern vor allem im öffentlichen und gesellschaftlichen Raum aktiv. Die Erfahrung zeigt, dass die NPD überall dort, wo Abgeordnete der NPD in der Bürgerschaft verankert sind, über längere Zeit hohe Wahlerfolge erzielen kann. Ein Beispiel für gut verankerte NPD-Mitglieder ist das Ehepaar Schreiber in Strehla. Sie traten als engagierte, nette, zuvorkommende, vorgeblich „unpolitische“ Nachbarinnen und Nachbarn in Erscheinung und erhielten dafür bei den Anwohnerschaft Strehlas viel Anerkennung. Ines Schreiber engagierte sich im Elternbeirat der Grundschule, im Jugendclub und als Schöffin am Amtsgericht Riesa; während ihr Mann für die NPD im Kreistag saß. Nachdem der NPD-Abgeordnete Schreiber mit einem eigenen Parteistand regelmäßig auf dem örtlichen Wochenmarkt erschien, erließ der Gemeinderat das Verbot der Parteiwerbung auf öffentlichen Plätzen. Dies zeigte sich als der falsche Weg, weil er zur Entpolitisierung öffentlicher Plätze führt, aber politisierte öffentliche Plätze nötig sind, um der NPD entgegen zu treten. Insgesamt muss demokratische Alltagskultur gestärkt, nicht noch mehr eingeschränkt werden. Sonst können sich Rechte noch mehr als bisher als die einzigen inszenieren, die überhaupt politisch aktiv sind und sich um die Belange der Bürgerinnen und Bürger kümmern. Auch die Anhebung der notwendigen Abgeordnetenanzahl zur Bildung einer Fraktion ist keine dauerhafte Lösung, denn durch zusätzliche Hürden ist es auch demokratischen Kleinstparteien nicht möglich, in Kommunalparlamenten aktiv zu werden.

Folgende Empfehlungen ergeben sich daraus für demokratische Parteien für den Umgang mit rechtsextremen Parteien in den Kommunalparlamenten:

  • Keinem Antrag rechtsextremer Parteien zustimmen, auch wenn es sich um vermeintliche Sachthemen handelt. Anträge immer geschlossen ablehnen, um rechtsextremen Parteien keine Gelegenheit zu geben, einzelne Stimmen aus dem demokratischen Lager als Teilerfolg zu verbuchen. Die Zustimmung zu ihren Anträgen und eine akzeptierende Behandlung von ihrer Abgeordneten lässt sie schrittweise als wählbare und akzeptierte Partei erscheinen.
     
  • Anträge nicht einfach kommentarlos ablehnen, sondern die Ablehnung inhaltlich begründen. Im Parlament und in der Öffentlichkeit deutlich machen, dass die NPD antidemokratisch ist und die Gleichwertigkeit der Menschen nicht anerkennt.
     
  • Rassistische, geschichtsrevisionistische, antisemitische und andere menschenverachtende Äußerungen von NPD-Abgeordneten nicht unwidersprochen lassen.
     
  • Auch die Aktivität der NPD außerhalb des Parlaments in den Blick nehmen, denn dort demonstrieren sie Bürgernähe, sind aktive „Kümmerer“. Dabei arbeiten sie fast überall mit freien neonazistischen Kameradschaften zusammen!
     
  • Schulterschluss mit zivilgesellschaftlichen Vereinen, die gegen die rechte Szene und für eine demokratische Alltagskultur kämpfen. Es gibt außerdem einige kommunalpolitische Bereiche, in denen gegen Rechte gehandelt werden kann, zum Beispiel Kinder- und Jugendhilfe oder Sport.
     
  • Demokratische Beteiligungsmöglichkeiten der Menschen im kommunalen Raum stärken, statt öffentliche Räume zu entpolitisieren.

Weitere Informationen und Handreichungen für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker:

Der Stadtverordnete der Stadt Kempen und Kreistagsabgeordnete im Kreis Viersen Jeyaratnam Caniceus (DIE GRÜNEN) wehrt sich gegen die NPD: Auf jedes ihrer Wahlplakate reagiert er mit einem "Kein-Ort-für-Neonazis"-Schild. Foto: © Jeyaratnam Caniceus