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Die FPÖ verbreitet in Österreichs Politik rassistische und antisemitische Untertöne. Beim Volk kommt das an. Erstmals liegt die Partei in Umfragen vorn.
Von Marion Kraske, Übernahme des Artikels mit freundlicher Genehmigung der ZEIT
Auf den ersten Blick wirkt Heinz-Christian Strache fesch und charmant: Den Schal stets modisch um den Hals gelegt, Party-gestählt, die Gesichtsfarbe von auffälligem Braun. Auf der Internetseite der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) lässt sich der Partei-Obere öffentlichkeitswirksam als unerschrockener Comic-Held feiern. Die Botschaften freilich haben es in sich: Als Supermann im kornblumenblauen Dress übt er sich siegesgewiss im Kampf für ein vermeintlich besseres Österreich – gegen Sozialschmarotzer, gegen Ausländer, gegen die Vertreter der etablierten Parteien.
Die leisen Töne sind Straches Sache nicht: Die Freiheitlichen haben in den letzten Jahren immer wieder offen rassistische, fremdenfeindliche, ja auch antisemitische Untertöne verbreitet. Das Metier der FPÖ ist der Hass und das Ressentiment. Es ist eine Mischung aus Europakritik, Fremdenhetze und strammer Islamphobie, gewürzt mit diffusen Ängsten vor Zuwanderern, mit denen Strache und seine Mannen das gesellschaftliche Klima vergiften, unter dem Beifall vieler Österreicher. Und so schießen die kruden Botschaften seit Jahren wie Kanonendonner durchs pittoreske Alpenland: "Pummerin statt Muezzin" (Pummerin heißt die Glocke im Wiener Stephansdom), "Deutsch statt nix versteh'n", "Abendland in Christenhand".
Straches oberstes Prinzip ist die perpetuierte Provokation, das stete Verrücken jener Grenzen, die markieren, was in einer Demokratie eigentlich noch erlaubt ist und was nicht. Strache reizt aus, er düpiert, er verhöhnt. Beim Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem in Jerusalem etwa trug er nicht irgendeine Kopfbedeckung, sondern die Kappe der deutschnationalen pennalen Burschenschaft Vandalia, in der er Mitglied ist. Geistiger Vandalismus im Angesicht von Millionen von Holocaust-Opfern könnte nicht deutlicher zum Ausdruck gebracht werden.
Während sich die NPD in Deutschland gezielt gegen die demokratische Grundordnung richtet ("Das System hat keine Fehler, das System ist der Fehler"), beschreitet die FPÖ einen anderen, indes nicht minder gefährlichen Weg: Sie nutzt gezielt das demokratische System mit all seinen Freiheiten, um es nach ihren Vorstellungen mit rechtsextremen Inhalten zu untergraben. Es gab Momente, da stand der gelernte Zahntechniker Strache mit Kruzifix bewaffnet in der Öffentlichkeit und wetterte gegen den Islam, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her.
Es gab Momente, da zeigte er den Kühnen-Gruß, das Erkennungszeichen der Neonazis, und erklärte anschließend scheinheilig, er habe doch lediglich drei Bier bestellt. Und es gab Momente wie im zurückliegenden Wien-Wahlkampf, als seine Partei sich nicht scheute, mit an Rassenlehre und Eugenik angelehnten Parolen auf Stimmenfang zu gehen: "Mehr Mut für unser Wiener Blut", tönte es von den FPÖ-Wahlplakaten. "Zu viel Fremdes tut niemandem gut."
Anderswo würden derartige Entgleisungen das Ende einer politischen Karriere einläuten – nicht so in Österreich. In Wien kam die FPÖ im vergangenen Herbst auf 27 Prozent der Stimmen. Und auch landesweit scheint der Aufstieg des strammen Rechtsaußen ungebremst: Derzeit liegt die Strache-Partei nach einer Umfrage des österreichischen Meinungsforschungsinstitutes OGM mit 29 Prozent vor der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ, 28 Prozent), gefolgt von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) – rund zwei Jahre vor den nächsten Nationalratswahlen ist das eine Premiere in Nachkriegs-Österreich.
Die Volksparteien haben versagt
Der Aufstieg der österreichischen Rechtsradikalen folgt dabei einem europäischen Trend: Von Finnland über Schweden bis Frankreich verbuchen rechtspopulistische Parteien signifikante Zugewinne, in einigen Ländern, wie etwa in den Niederlanden, mischen die Rechten als duldende Instanz bereits am Kabinettstisch mit. Europa steckt in der Krise, nicht nur infolge der Finanzkrise samt der ungeliebten Soforthilfen für angeschlagene Mitgliedsstaaten, die den Populisten landauf, landab regen Zulauf bescheren. Es ist auch eine ideelle Krise, die sich abzeichnet: Die Union hat es augenscheinlich versäumt, ihre ureigenen Werte zu vermitteln. Dass sich Europa nach dem Zweiten Weltkrieg vornehmlich im Gedenken an die verheerenden Folgen des Nationalsozialismus formierte, spielt in den Mitgliedstaaten jedenfalls keine Rolle.
Und doch hat der Aufstieg der FPÖ eine ureigene, innenpolitische Komponente. Anders als in vielen anderen europäischen Ländern gibt es in Österreich eine jahrzehntelange Tradition der Verharmlosung und Aufwertung des rechten Lagers. Eine natürliche Trennlinie, ein Cordon Sanitaire, sucht man hingegen vergeblich. Im Jahr 2000 holte der Wahlverlierer Wolfgang Schüssel (ÖVP) machthungrig die damalige Haider-Partei in die Regierung – eine Art politischer Dammbruch. Die Folge: Rechtsextremes Gedankengut wurde salonfähig gemacht. Dass Jungwähler die FPÖ und das von Jörg Haider später abgespaltene Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) heute als ganz normale Parteien ansehen, ist zweifelsfrei eine Folge dieser unheilvollen Regierungsbildung.
Ohnehin: Die Mehrheit der Österreicher versteht bis heute nicht, warum Brüssel einst Sanktionen gegen die Wiener Regierung auf den Weg brachte. Und: Die österreichische Politik hat es ihnen bis heute nicht erklärt. Statt Distanzierung von den Rechten im Innern wurde eine Abgrenzung gegenüber dem ach so bösen Europa vollzogen. Und so gilt Brüssel vielen, nicht zuletzt dank der hysterisierenden Anti-EU-Rhetorik von Strache und Co und den fortgesetzten Anti-Brüssel-Kampagnen der marktmächtigen Kronen-Zeitung, als Inbegriff alles Negativen, als bedrohlicher Außenfeind.
Auch die einstigen Großparteien SPÖ und ÖVP verfolgen im Umgang mit den Freiheitlichen einen die Demokratie gefährdenden Kurs: Immer wieder gingen sie in den vergangenen Jahren mit den Rechten parteitaktisch motivierte Kompromisse ein. So konnten sich die strammrechten Buben als quasi-demokratiekompatible Parteien gerieren. Einer der Höhepunkte dieser folgenschweren Appeasement-Politik – die Grünen bilden hier eine rühmliche Ausnahme – manifestierte sich in der Wahl von Martin Graf zum Dritten Nationalratspräsidenten. Graf ist Mitglied der Wiener Burschenschaft Olympia, die den Holocaust-Leugner David Irving schon mal als Gastredner lud. Dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes gilt die Olympia als "Hort des Rechtsextremismus". All das war auch vor der Wahl Grafs bekannt, dennoch gab die ÖVP-Spitze für den umstrittenen Burschenschaftler eine Wahlempfehlung aus. SPÖ und ÖVP hievten so eine mehr als dubiose Figur in eines der höchsten Staatsämter.
Kritiker der Personalie Graf wurden freilich nicht enttäuscht: Immer wieder fällt der FPÖ-Mann durch diskreditierende Aussagen auf: Den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, attackierte er als "Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus". Den "antifaschistischen Grundkonsens" stellte Graf gleich ganz in Frage. Konsequenzen gab es wie so oft – und eben darin liegt eines der größten Versäumnisse im Umgang mit den Hasspredigern – keine.
Die FPÖ – ein Sammelbecken deutschnationaler Burschenschaftler
Strache selbst kann laut einem Gerichtsurteil aus dem Jahr 2004 eine "Nähe zum nationalsozialistischen Gedankengut" bescheinigt werden. Früher einmal tummelte er sich mit bekannten österreichischen Neonazi-Größen bei paramilitärischen Spielchen in heimischen Wäldern. Heute nimmt er Kurs aufs Kanzleramt. Dabei steht die FPÖ unter Strache weiter rechts als einst unter Jörg Haider. Es gebe zahlreiche inhaltliche und personelle Berührungspunkte mit dem Neonazismus, konstatiert der Rechtsextremismus-Experte Heribert Schiedel vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) in Wien. In der FPÖ hätten seit 2005 deutschnational gesinnte Burschenschaftler das Sagen, sie bildeten das intellektuelle Rückgrat der Partei, so Schiedel, vor allem in den Landesverbänden Wien, Oberösterreich und Steiermark.
Während sich in Deutschland die Grünen anschicken, zur dritten Volkspartei aufzusteigen, sind es in Österreich ausgerechnet europafeindliche, islamophobe, braun-gefärbte Gesellen, die die einstige Vormachtstellung der etablierten Parteien untergraben. Eben diese Parteien sind nun gefragt, sich neu zu positionieren. Denn ihr Versagen hat zum Erstarken der Rechten maßgeblich beigetragen. So wurde das Thema Einwanderung und Migration mit Blick auf das ressentimentzugeneigte Wahlvolk immer wieder auch von sozialdemokratischen und konservativen Politikern populistisch aufgeheizt, mit schöner Regelmäßigkeit setzten selbst Regierungsmitglieder Flüchtlinge und Asylbewerber mit Kriminellen gleich.
Wollen die etablierten Parteien einen Einzug Straches ins Kanzleramt verhindern, müssten sie dem ausgrenzenden Mainstream eine verantwortungsvolle, an humanitären Gesichtspunkten orientierte Politik gegenüberstellen. Sie müssten die Schönrednerei der Ultrarechten, die Paktiererei mit ihren Protagonisten, ja die Befruchtung des ausländerfeindlichen Klimas im Land beenden. Geistiger Rechtsextremismus ist kein Kavaliersdelikt, er muss als solcher benannt und sanktioniert werden.
Wessen Geistes Kind die Strache-Partei ist, zeigte sich neuerlich vor wenigen Tagen: Nachdem bekannt geworden war, dass Adolf Hitler im niederösterreichischen Amstetten bis heute als Ehrenbürger gelistet ist, entzog der Gemeinderat dem Verstorbenen Anfang der Woche posthum die einst angetragene Würde. Einstimmig verlief das Votum freilich nicht: Die Abgeordneten der FPÖ enthielten sich.
Foto: Heinz-Christian Strache (FPÖ) während einer Demonstration gegen den Ausbau eines islamischen Kulturzentrums in Wien-Brigittenau (Friedrich Schmidt-Platz). Beschnitten und digital nachbearbeitet. Von Manfred Werner - Tsui, via wikipedia, cc
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Marion Kraske, studierte Politologin, ist freie Journalistin, Kolumnistin und Buchautorin. In ihrem 2009 erschienenen Buch „Ach Austria. Verrücktes Alpenland“ (Molden-Verlag) zeigt Kraske unter anderem die Problematik des geistigen Rechtsextremismus in Österreich auf.