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„Politik hat im Stadion nichts zu suchen!“

Für viele Funktionäre und Fans ist das Fußballstadion immer noch ein „politikfreier“ Raum. Das gilt für sie vor allem dann, wenn es um die Auseinandersetzung mit Diskriminierung im eigenen Verein oder der eigenen Fankurve geht. Die Ausstellung „Tatort Stadion 2“, die derzeit in Berlin Kreuzberg gastiert, widmet sich dem Thema.

Dass Diskriminierung noch immer ein Problem in Stadien ist, zeigt die Ausstellung dem Bündnis aktiver Fußballfans (BAFF). Offener Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus ist in den großen Stadien zwar seltener zu beobachten als noch in den 1980er Jahren, in den unteren Ligen sind sie aber weiterhin sehr präsent. Aber auch in den höheren Ligen bestehen die Probleme weiter. , Noch immer hört man vor Stadien das „U-Bahn Lied“, in dem zum Bau einer U-Bahn nach Auschwitz aufgerufen wird. Auch nachgeahmte Affengeräusche oder die diffamierende Verwendung des Wortes „schwul“, um den Gegner oder den Schiedsrichter abzuwerten sind bei Fußballspielen an der Tagesordnung. Um sich diesem entgegenzustellen, gibt es bei größeren Vereinen mittlerweile Fanprojekte und Faninitiativen, die sich mit der menschenfeindlichen Haltung im Stadion auseinandersetzen. Oftmals werden sie bei dieser Arbeit auch von ihren Vereinen unterstützt. Dass das Problem inzwischen erkannt wurde, hat in den letzten Jahren in den meisten Stadien zu erheblichen Verbesserungen geführt.

Es gibt viel zu tun

Wie groß das Problem mit Diskriminierung im Stadion dennoch auch heute noch ist, zeigen vor allem die Ausstellungstafeln zu den Themen Homophobie und Sexismus im Fußball. Beides wird von den Vereinen und auch den Fans als Problem bisher leider oft nicht wahrgenommen und vernachlässigt. Noch immer verkaufen beispielsweise Bundesligaklubs wie der VFB Stuttgart oder Borussia Dortmund pinkfarbenes Merchandise speziell für Frauen. Auf den Tribünen haben es Frauen weiterhin schwer als Fans ernst genommen zu werden. Und beim FC St. Pauli räkeln in dieser Saison Tänzerinnen in „Susis Showbar Loge“ bei Toren des Teams an der Stange. Einen Fußballspieler, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt, sucht man in Europas Topligen vergeblich, für viele Fans und Offizielle ist das bis heute sogar unvorstellbar. Auch Fußballgrößen wie Rudi Assauer oder Christoph Daum äußerten sich in jüngster Vergangenheit abfällig über Schwule.

Erst in den letzten Jahren machten vereinzelte Fangruppen und lesbisch-schwule Fanklubs auf die subtil bis offen vorhandene Homophobie und den Sexismus im Stadion aufmerksamen. Auch der Deutsche Fußball Bund (DFB) hat die Problematik inzwischen erkannt und unterstützt die Fanclubs in ihrer Arbeit. Aber nicht nur hier gibt es weiterhin Handlungsbedarf. So zeigt die Ausstellung auch die intensiven Aktivitäten rechter Hooligans bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft und die rassistisch motivierten Übergriffe während der letzten Welt- und Europameisterschaften. So kam es nach dem Ausscheiden der deutschen Mannschaft bei der WM 2006 zu mehreren Übergriffen auf italienische Gaststätten. Diese Kehrseite des neuen „Partynationalismus“ bleibt der Öffentlichkeit jedoch weitestgehend verborgen.

Die Ausstellung versucht indes auch aktuelle Entwicklungen und Veränderungen in der Fanszene zu beschreiben. So zeigt sie deutlich, wie die junge, aktive Ultraszene mit ihren Männlickkeitskonzepten und ihrem Lokalpatriotismus Anknüpfungspunkte für autonome Nationalisten bietet. Viele Ultragruppen sind jedoch überaus aktiv in der Arbeit gegen Diskriminierung und bieten mit ihren großen und bunten Choreographien eine gute Darstellungsplattform im Stadion.

Engagement und Unterstützung

Genau dieses positive Engagement will die Ausstellung auch deutlich zeigen. So werden explizit auch Ultragruppen und Vereine mit ihrem Engagement gegen Diskriminierung vorgestellt. Es werden Fanzines, Choreographien und Aktionen von Fans gezeigt und Vereine gelobt, die mit ihrer Stadionordnung rechte Kleidungsfirmen verbieten. Besonders erwähnenswert ist das Engagement der Arminia aus Bielefeld. Dort werden neben den durchaus üblichen extra Plätzen für Rollstuhlfahrer auch nicht-separate Plätze für Sehbehinderte mit entsprechendem Kommentar angeboten. Der DFB vergibt seit 2005 den „Julius-Hirsch-Preis“, mit dem er Vereine, Gruppen und Initiativen auszeichnet, die sich für „Demokratie, Menschenrechte sowie den Schutz von Minderheiten“ einsetzen. Und genau das tut die Ausstellung „Tatort Stadion 2“. Sie zeigt deutliche die tägliche Diskriminierung in deutschen Fußballstadien und ermutigt gleichzeitig dazu, selbst aktiv dagegen vorzugehen.

Die Ausstellung ist noch bis zum 02.April im Berliner Fußballaden „Goal“ in der Ritterstraße 12-14 zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Ausstellung gegen Diskriminierung

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Tatort Stadion 2