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Parlamentswahl in Ungarn - Kantersieg für rechte Hetzer


Die Ungarn haben am Wochenende ein neues Parlament gewählt: Die bislang regierenden Sozialisten wurden abgestraft, die nationalkonservative Fidesz-Partei konnte in der ersten Wahlrunde einen Erdrutschsieg feiern. Der eigentliche Gewinner ist jedoch Gabor Vona, Anführer der rechtsextremen Partei Jobbik. Erstmals ziehen seine rechten Aufwiegler ins Parlament ein.


Budapest - Er hat darauf gewartet, um Revanche zu nehmen, lange Zeit. Nach acht Jahren hat er es endlich geschafft. Viktor Orban von den ungarischen Nationalkonservativen ist zurück an der Macht. Bei der Parlamentswahl am Wochenende kam Orban mit seiner Fidesz-Partei auf mehr als 52 Prozent der Stimmen. Er wird nach der zweiten Wahlrunde Ende April, so viel ist sicher, Ungarns neuer Ministerpräsident.

Strammer Nationalismus

Schon einmal war Orban an der Macht, von 1998 bis 2002 an leitete er die Geschicke des Landes als Regierungschef. Es waren nicht eben die besten Jahre der jungen ungarischen Demokratie. Orbans strammer Nationalismus, sein hetzerischer Chauvinismus, den er sowohl während seiner Regierungszeit als auch später in der Opposition verbreitete, heizten die Stimmung im Magyarenland gefährlich an. Mal wetterte der machthungrige Jurist gegen ausländische Kapitalgeber und Investoren, immer wieder gegen die seit 2002 regierenden Sozialisten. Das offizielle Wahlergebniss wollte Orban damals erst gar nicht anerkennen: Immer wieder appellierte er an die Mächte der Straße, um die verhassten Sozialisten auf und davon zu jagen. Ein hochriskantes Spiel in einer Demokratie. Nicht zuletzt diese Orbansche Aufwiegelung machte das Land bereit für eine neue Kraft.

Der eigentliche Gewinner: Gabor Vona


Denn Orbans Sieg vom Wochenende ist nur die eine Seite der Medaille. Doch der Wahlausgang besitzt eine zweite, eine weitaus bedrohlichere. Der eigentliche Gewinner des Urnenganges ist ohne Zweifel Gabor Vona, der Chef der rechtsextremen Partei Jobbik und einstige Ziehsohn Orbans. Mit rund 17 Prozent landete die Jobbik nur knapp hinter den bislang regierenden Sozialisten auf Platz 3. Der Sieg der rechten Hetzer ist ein Meilenstein.

Diskreditierte Politelite

Vom Rentner über den Handwerksmeister bis hin zum akademischen Nachwuchs – vor allem die Jungen haben sich von der politischen Elite im Land abgewendet. Die herkömmlichen Parteien gelten weithin als korrupt und kriminell. Allen voran die Genossen gelten in den Augen der meisten Ungarn als diskreditiert. Bis zuletzt machten sie mit unschönen Korruptionsskandalen Schlagzeilen. Nicht ohne Grund votierten nur noch 19 Prozent der Ungarn für die Sozialisten.

Jobbik – „Die Besseren“


Das einst so aufstrebende kleine Land, das sich noch vor Jahren als das demokratiefreundlichste in der Riege der osteuropäischen Wendeländer präsentierte, hat sich auf einen neuen Kurs begeben. Es ist der Kurs der rechten Demagogen, der geistigen Rückwärtsgewandtheit. Die extreme Rechte – sie hat sich von einer Außenseiterposition ins Zentrum der politischen Macht gebeamt.
Jobbik („die Besseren“) verspricht den Menschen – ganz populistisch – rosigere Zeiten. „Gott gebe“, beschwören ihre Anhänger mit fester Stimme. „Eine schönere Zukunft“, hallt es ihnen dann aus den Reihen ihrer Anhänger entgegen. Mit diesem Schlagwort gehen die ungarischen Ultrarechten auf Stimmenfang. Nicht etwa nur bei Menschen am rechten Rand, nein, sie fischen in der Mitte der Gesellschaft. Eben dort haben sich rechtextreme Überzeugungen festgesetzt wie ein giftiger Stachel, der das gesamte gesellschaftliche Klima nachhaltig zu infizieren droht.

Unverfälschtes Ungarntum?

An der Spitze der Jobbik steht Gabor Vona. Auf den ersten Blick ein sympathischer netter junger Mann, smart im Erscheinungsbild, ein Chamäleon. Doch die Botschaften, die der 31-Jährige studierte Geschichtslehrer hinausposaunt, sind alles andere als harmlos. Er liebt es, gegen Juden herzuziehen. Er wettert gegen das politische Establishment, gegen die zahlreichen „Zigeuner“ im Lande. Er hat den Kampfbegriff von der „Zigeunerkriminalität“ geprägt, mit der seine rechten Recken seit Jahren die Bevölkerung aufwiegeln.
Wenn Vona zu seinen Anhängern spricht, wird die rot-weiße Arpad-Fahne gehisst: Einst ein mittelalterliches Symbol, das auch während der Ära der faschistischen Pfeilkreuzler Verwendung fand und heute, so sagt etwa der renommierte Budapester Historiker Krisztián Ungváry, von den „ungarischen Fundamentalisten“ zweckentfremdet wird, indem sie den einstigen Missbrauch der Fahne schlicht ausblenden. Ihnen, so der Wissenschaftler, ginge es um die Beschwörung eines reinen, unverfälschten Ungarntums.

Gewalt gegen Roma-Minderheit

Und so ziehen die magyarischen Neofaschisten gegen die „fremdländischen Kolonialherren“, sprich internationale Investoren zu Felde, gegen westliche Kultureinflüsse sowie gegen die „Urbanen“, hinter denen sich die städtische Elite, die wirklichen und vermeintlichen Juden verbergen. Als Hauptfeind des wahren Ungarntums gilt den Rechten jedoch die Roma-Minderheit. „Arbeitsscheue“ nennt Vona sie verächtlich. In einem Land, in dem knapp elf Prozent ohne Job sind, in einigen Regionen gar mehr als die Hälfte der Bevölkerung, fällt Sozialhass auf fruchtbaren Boden. Die Unsicherheiten der Finanzkrise, infolge derer das Land 2008 knapp am Staatsbankrott vorbeischlitterte, tut ihr Übriges.
2009 ging die gefährliche Saat des Rechtsextremismus in Gewaltakten auf: Acht Roma wurden bei Angriffen von Rechten getötet, darunter ein Familienvater mit seinem Sohn. Als der Mann infolge eines nächtlichen Angriffs mit Molotow-Cocktails panisch aus seinem Haus flüchtete, wurde er, zusammen mit dem 5-Jährigen auf dem Arm, von Heckenschützen erschossen.

Das Verbot – eine Lachnummer

Immer wieder war in den vergangenen Jahren die Ungarische Garde, die „Magyar Gárda“ durch Roma-Dörfer marschiert, hatte dort Angst verbreitet, Pogromstimmung geschürt. Die paramilitärische Truppe, die zuletzt aus einigen tausend Mitgliedern bestand und deren Gabor Vona als Anführer vorstand, wurde im Sommer vergangenen Jahres von einem Budapester Gericht wegen ihrer verfassungsfeindlichen Gesinnung offiziell verboten. Doch das Verbot ist inzwischen zur reinen Lachnummer verkommen.
Bei den Veranstaltungen der Jobbik treten die Gardisten in aller Öffentlichkeit ungeniert weiter auf. Die schweren Jungs mit ihren kahlrasierten Schädeln, die Mädchen mit ihren Pferdeschwänzen, allesamt in schwarz-weißen Einheitsuniformen, dem Stil faschistischer Formationen auffallend ähnlich, übernehmen dann die Rolle der Ordnungshüter. Auf ihren T-Shirts finden sich die Umrisse des einstigen groß-ungarischen Reiches. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Ungarn im Vertrag von Trianon aufgeteilt, es verlor Dreiviertel seines einstigen Herrschaftsgebietes. Mit Jobbik und der tatkräftigen Hilfe der Magyar Gárda, so die Verheißung, werde Ungarn wieder zu alter Größe zurückfinden.

„In einem neuen Land“?

20 Prozent der ungarischen Bevölkerung, so Schätzungen des angesehenen Budapester Thinktanks Political Capital, gelten schon jetzt als potentielle Rechtsextremisten, die antisemitische und rassistische Überzeugungen pflegen. Jeder Fünfte Ungar also, der eine anti-libertäre Gesinnung an den Tag legt. Demokraten sollten angesichts dieser Entwicklung angst und bange werden.
Und so müsste im aufgewühlten Magyarenland eigentlich die Stunde der Besänftiger schlagen, der Versöhner, die die starke gesellschaftliche Kluft wieder zu kitten vermag.
Stattdessen wittern die Scharfmacher ihre Chance. Neben dem jungen Verführer Vona, der, am Wochenende lautstark den Einzug seiner Gesinnungsgenossen ins Parlament bejubelte und einen „nationalen Tag des Umbruchs“ beschwor, gab sich auch Viktor Orban entschlossen. „Wir werden morgen in einem neuen Land aufwachen“, sagte er am Wahlabend in Budapest sibyllinisch.
Es klang wie eine Drohung.

Von Marion Kraske
Foto: Magyar Gárda, VT via wikipedia, cc

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Marion Kraske ist freie Korrespondentin und (Buch-)Autorin. Bis 2009 war sie SPIEGEL-Korrespondentin in Wien, zuständig für Österreich und Südosteuropa. Zuletzt erschien im Wiener Molden-Verlag ihre Österreich-Analyse „Ach Austria! Verrücktes Alpenland“, in der unter anderem die mangelhafte Abgrenzung gegenüber rechtsradikalen Inhalten in der österreichischen Innenpolitik thematisiert wird.

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