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Noch immer kein Ladenschluss bei Thor Steinar


Seit über einem Jahr vertreibt der Laden „Oseberg“ in Halle die bei Neonazis beliebte Kleidungsmarke Thor Steinar. Nach wie vor ist Unkenntnis über die Marke eines der Hauptprobleme, um derartige Läden zu verhindern.


Von Robert Fähmel

Im Juni 2009 wurde sie unter großen Protesten eröffnet, die Boutique „Oseberg“ in Halle. Die Marke „Thor Steinar“ war zu dem Zeitpunkt längst kein unbeschriebenes Blatt mehr, hatte sie sich doch längst als Szenekleidung der Neonazis etabliert. Schnell wurde dem Eigentümer, einem Münchner Unternehmer, klar wer sich in sein Ladengeschäft eingemietet hatte. Nur wenige Tage nach der Eröffnung bemühte sich ein beauftragter Anwalt um die außerordentliche Kündigung des Ladengeschäfts. Grund: dem Vermieter sei die Bedeutung der Marke nicht bekannt gewesen.

Unwissenheit der Vermieter kein Einzelfall


Ähnliche Fälle ereigneten sich in den letzten Jahren immer wieder. Eine Räumungsklage gegen den Thor Steinar-Laden in Magdeburg wurde damit begründet, dass die Betreiber den Vermieter nicht über den Vertrieb der umstrittenen Marke informiert hätten. Der Bundesgerichtshof gab der Klage statt und bekräftigte die außerordentliche Kündigung als rechtmäßig. Damit einhergehend wurde auch der Räumung eines Berliner Geschäftes stattgegeben. In diesem konkreten Fall gaben die Betreiber den Vertrieb der Kleidungsmarke Thor Steinar zwar bei Vertragsabschluss an, doch dem Vermieter war diese unbekannt. Der BGH betonte nun, dass die Ladenbetreiber auch auf die gesellschaftliche Wahrnehmung und das Umfeld der Marke hätten hinweisen müssen. Die Marke werde „in den öffentlichen Medien und in einer Internetveröffentlichung des Brandenburger Verfassungsschutzes mit einer rechtsextremistischen Gesinnung in Verbindung gebracht“, betonen die Bundesrichter.

Ständiges Aufklären ist nötig

Die Schließung des Oseberg ist erklärtes Ziel der „Aktion Ladenschluss“, einem Bündnis verschiedener zivilgesellschaftlicher Akteure in Halle. Um diese zu erreichen, setzt die Aktion vor allem auf ein Problembewusstsein in der Bevölkerung. Über die Marke Thor Steinar und ihre Bedeutung für die Neonazi-Szene zu informieren sei der erste Schritt, um Menschen auf das Problem aufmerksam zu machen und für Gegenproteste zu ermutigen. Neben Aktionen im direkten Umfeld des Ladens hat die Initiative auch einen Workshop für die schulische Bildungsarbeit entwickelt. Hierbei soll nicht nur über die Kleidungsmarke informiert, sondern für das generelle Neonazismus-Problem in der Region sensibilisiert werden. Denn eben dieses Problem existiert auch ohne Thor Steinar-Laden in der Innenstadt. Die Existenz des Ladens zeige laut Aktion Ladenschluss aber, wie wenig die Menschen sich der Gefahren des Neonazismus bewusst sind. Vor allem junge Menschen, die Hauptzielgruppe von Thor Steinar, müssten daher auf das Problem aufmerksam und zu aktivem Vorgehen gegen Rassismus ermutigt werden.

Thor Steinar
Thor Steinar


Kleidungsmarke ist nur ein Problem von Vielen


Dass die Marke mit modischem Schick neue Zielgruppen anzusprechen versucht, ist aber nur eines der Probleme. Die Szene-Läden statten den modebewussten Neonazi nicht nur mit den neuesten „T-Hemden“ aus, sondern bilden auch lokale Treffpunkte. Gezielt werden hier potentielle Interessenten mit Flyern versorgt oder zu Veranstaltungen mobilisiert. „Solche Läden dienen als Treffpunkt zur Erweiterung des Einflussbereichs“ stellt Susanne Bause* vom Friedenskreis Halle e.V. fest. „Diese Läden sind eine Plattform, um sich in der Mitte der Gesellschaft zu positionieren.“ Für genau diese Probleme müsse daher eine möglichste breite Öffentlichkeit sensibilisiert werden. Gern wird damit argumentiert, dass man solche Kleidung ja nicht tragen müsse und man niemandem den Verkauf von vermeintlich instrumentalisierter Kleidung verbieten könne. Doch gerade diese Gleichgültigkeit senkt die Hemmschwelle gegenüber Neonazi-Lifestyle, aber auch von Szene-Treffpunkten in ganz normalen Einkaufszonen.

Umliegende Gewerbetreibende müssen darauf aufmerksam gemacht werden, wie ein solcher Laden in ihrer Nachbarschaft auch dem eigenen Geschäft schadet. So ist ein verrammeltes und mit Farbbeuteln beworfenes Ladenlokal nicht nur unansehnlich, sondern schadet auch dem Ansehen von ganzen Einkaufsmeilen in der öffentlichen Wahrnehmung. Wer will schon Tür an Tür mit Neonazis leben, zumal wenn die Ladenmeile dadurch immer wieder in negative Schlagzeilen gerät? Für eben solche Probleme müssen sowohl Anlieger als auch Vermieter von Ladenflächen sensibilisiert werden, um der Gleichgültigkeit entgegen zu wirken. Ein bloßes Desinteresse, weil es einen persönlich vermeintlich nicht betrifft, verkennt all diese Probleme.

Kündigung ist erst der Anfang

Die außerordentliche Kündigung ist noch lange nicht das Ende eines Thor Steinar-Geschäfts. Aufgrund der geringen Erfolgsausichten sah man nach der Kündigung des Mietvertrags in Halle von einer Räumungsklage ab. Nach dem positiven BGH-Urteil gibt es nun wieder Hoffnung für eine erfolgreiche Räumung. Die Vermieter des Ladengeschäfts in Halle haben dem Betreiber des Oseberg inzwischen eine erneute Frist zur Räumung des Geschäfts gesetzt und den Klageweg angekündigt. Rückendeckung erhalten die Vermieter durch die Stadt Halle. Torsten Hahnel, Referent für Rechtsextremismus beim Verein Miteinander: „Die Stadt hat sich eindeutig positioniert und macht deutlich, dass sie den Vermieter unterstützt.“ Laut Hahnel gehe es dabei vor allem um ideelle Unterstützung, da die Stadt keine gewerberechtlichen Handlungsmöglichkeiten habe. Man versuche aber, zwischen den beteiligten Parteien zu vermitteln.

Sollte der Ladenbetreiber trotz allem nicht freiwillig ausziehen, wird ein langwieriger Prozess unumgänglich sein. Doch auch die erfolgreiche Schließung eines Ladens ist nur ein vorübergehender Erfolg. Der Betreiber des Oseberg zum Beispiel hatte vorher bereits ein Geschäft in Leipzig betrieben. Nach massiven Protesten musste dieser Standort aufgegeben werden, woraufhin der Betreiber sein neues Geschäft in Halle eröffnete. Dass diese Chamäleontaktik sich finanziell lohnt, zeigen die Umsätze der Marke Thor Steinar. Im Jahr 2007 konnte die Firma allein mit ihrem Online-Angebot 1,8 Millionen Euro umsetzen.

Dass die rechtsextreme Szene eine finanziell lohnenswerte Zielgruppe darstellt, haben inzwischen auch Andere erkannt. So versuchen sich seit längerem die beiden Marken „Ansgar Aryan“ und „Eric & Sons“ mit ähnlichem Auftreten wie Thor Steinar im Neonazi-Umfeld zu positionieren. Es wird noch viel Informationsarbeit nötig sein, um deutlich zu machen, wie solche Geschäfte die Vernetzung der Neonazi-Szene vorantreiben. In Halle plant die Aktion „Ladenschluss“ einen erneuten Aktionstag vor dem Oseberg. Am 28. Oktober werden neben einem Solikonzert auch ein Informationsworkshop zur Marke und eine größere Aktion vor dem Geschäft für Aufmerksamkeit sorgen. Susanne Bause, die den Aktionstag organisiert, hofft auf große Resonanz. „Wir wollen damit das Problem in die Öffentlichkeit rücken und möglichst viele Leute ansprechen, sich aktiv an den Protesten zu beteiligen.“

* Name von der Redaktion geändert

 

Ladenschluss jetzt! Kommunale Handlungsstrategien im Umgang mit Neonazi-Infrastruktur.

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