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Faßberg - Nazis wollen bleiben

Während die Neonazi-Hausbesetzung eines Hotels im Lüneburger Ort Faßberg seit über einer Woche anhält, formiert sich langsam Protest. Frühestens am Dienstag wird eine gerichtliche Entscheidung über eine Zwangsräumung erwartet. Gepachtet hat das Hotel offenbar der Hamburger Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger, der auch Kaufinteresse angemeldet hat. Zugang hatten sich die Neonazis verschafft, indem sie die Schlösser am Eingang aufbohrten.


Von Andrea Röpke und Fabian Stroetges


Seit dem 17. Juli haben sich die Rechtsextremen, die der „Kameradschaft 73“ zugerechnet werden, in dem Hotel „Landhaus Gerhus“ am Faßberger Stadtrand eingenistet. Auf ihrer Website schreiben sie, sie seien „gekommen, um zu bleiben“. Inzwischen haben sie ein großes schwarzes Transparent an der Fassade aufgehängt, auf dem in Runenschrift „Nationaler Widerstand Celle“ steht. Obwohl sich der lokale Protest bislang in Grenzen hält, bewacht die Polizei das Gebäude nun rund um die Uhr, um Zusammenstöße der Rechten mit Anwohnern und linken Gegnern zu verhindern.

Auf Initiative einer Nachbarin treffen sich inzwischen jeden Nachmittag einige Bürger aus dem Ort und Umgebung zu einer einstündigen Mahnwache gegen die Besetzung und gegen Rechtsextremismus im Allgemeinen. Von anfangs gut 20 Teilnehmern ist die Gruppe auf etwa 50 angewachsen. Fürs Wochenende erwartet die Polizei, dass es sogar einige Hundert werden könnten. Sie tragen Schilder mit Aufschriften wie „Nazis raus aus Gerdehaus“ und „Bunt statt Braun“.


Das Niedersächsische Innenministerium geht davon aus, dass es NPD-Anwalt Rieger nicht auf das Gebäude abgesehen hat, sondern auf Geld. Er hatte 1,3 Millionen Euro für das inzwischen heruntergekommene Gebäude geboten. Das Ministerium teilte mit, es sei „naheliegend, dass es Absprachen gibt“ zwischen Rieger und dem Verkäufer. Ursprünglich wollte die Gemeinde Faßberg die Immobilie zwangsversteigern lassen. Dies wurde ausgesetzt, weil die Gemeinde angekündigt hat, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen zu wollen. Im Ort befürchtet man, dass Rieger aus dem leerstehenden Gebäude ein rechtsextremes Schulungszentrum machen will.


Der einberufene Zwangsverwalter, Rechtsanwalt Jens Wilhelm, bezweifelt die Gültigkeit des Pachtvertrages. Auf diesen jedoch beruft sich auch NPD-Mitglied Dennis Bührig. Er behauptet, Rieger habe den Neonazis „das Hausrecht übertragen“. Sie sollen das Gebäude demnach in seinem Auftrag instand setzen und pflegen. Der Vertrag ist auf einen Tag vor Wilhelms Einsetzung datiert. Sollte es sich um einen vordatierten Vertrag handeln, oder einen Scheinvertrag, kämen die Straftatbestände der vereitelten Zwangsverwaltung, des Hausfriedensbruchs und der Sachbeschädigung in Betracht. Wilhelm hatte bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg Strafantrag wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung gestellt, um das Gebäude räumen zu lassen. Die mündliche Verhandlung seines Eilantrages wurde von Freitag auf kommenden Dienstag verschoben.


Das Tauziehen um das ehemalige 80-Betten-Hotel mit Schwimmbad begann 2006. Der inzwischen verstorbene Altbesitzer Karl Hennies, Landwirt und Makler aus dem Schaumburger Land, forderte damals rund eine Millionen Euro für das Gebäude. Er soll Rieger bei einem neonazistischen Pfingsttreffen im 1998 geschlossenen Schulungszentrum „Hetendorf 13“ kennengelernt und der rechten Szene nahegestanden haben. Im Herbst 2007 sicherte sich die Gemeinde vorsichtshalber das Vorkaufsrecht. Neuer Ansprechpartner für die Erbengemeinschaft der Familie war Sohn Rainer Hennies geworden. Als die Gemeinde einen Investor präsentierte, der über eine halbe Millionen Euro für das renovierungsbedürftige Gebäude bot und dort ein Pflegeheim einrichten wollte lehnte Rainer Hennies das Angebot ab.


Wollte der Hamburger NPD-Chef Rieger die Immobilie wirklich für über eine Millionen Euro kaufen, hätte der Kauf wohl längst über die Bühne gehen können, schätzen Experten. Hinderlich dabei wäre nur das Vorkaufsrecht der Gemeinde. Um diesen Umstand zu umgehen, könnte er auf die für ihn günstigere Zwangsversteigerung setzen. Bis dato gilt seiner Meinung nach der Pachtvertrag.


Für einen Deal spricht nicht nur, dass sich Hennies Senior als Makler im Metier auskannte, sondern auch, dass Rainer Hennies über gute Kontakte ins rechte Lager zu verfügen scheint. So taucht beispielsweise sein Name im Protokoll des „Bauernhilfe e.V.“ auf, einem Unterverein des 2008 verbotenen rechtsextremen Collegium Humanum.


Andererseits zeigt Rieger seit Jahrzehnten eine starke Affinität zur Region Lüneburger Heide. Seit sein Schulungszentrum „Hetendorf 13“ zwangsweise geschlossen wurde, hat er sich immer wieder heimlich mit der „Artgemeinschaft“ oder anderen Strukturen dort getroffen. Er könnte also durchaus Interesse am Objekt haben. Fraglich ist jedoch, warum er einen überhöhten Preis bezahlen sollte.


Es wäre wohl nicht das erste Mal dass rechtsextreme Kaufinteresse an einer Immobilie verlauten lassen, um dessen Preis in die Höhe zu treiben. Wenn dann die Kommune das Anwesen erwirbt, macht der Verkäufer einen satten Gewinn – ein Teil davon kann als Prämie an die Rechten fließen.

Rechter Spuk im Landhotel (Süddeutsche Zeitung, 29.7.)

Faßberger wehren sich (ad-hoc-news, 29.7.)

Unveränderter Zustand (Tagesspiegel, 29.7.).
Keine Räumung?
(welt.de, 23.7.)
Schüsse vor dem Haus (spiegel.de, 24.7.)
Ein rechter Hausbesetzerfall, Der Original-Text  von Andrea Röpke beim bnr.

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / fst / Foto: "Landhotel Gerhus" in Faßberg (Zeit.de/Nigel Treblin, ddp)