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Hilfsfonds für Extremismus-Opfer verfehlt sein Ziel

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat den Härtefall-Fonds für Opfer rechtsextremistischer Gewalt auf jeglichen Extremismus erweitert. Bisher wurde jedoch keine Entschädigung für „sonstigen Extremismus“ beantragt.

Von Robert Fähmel

Im Jahr 2000 wurde die Einrichtung eines Härtefall-Fonds für Opfer rechtsextremistischer Gewalt beschlossen. Im Haushalt 2001 wurde dieser mit einer Summe von damals 10 Millionen DM ausgestattet – mit dem Ziel, Opfern rechter Gewalt schnelle und unbürokratische Hilfe zukommen zu lassen. Auch Entschädigungsleistungen für Nothelfer, die sich zum Schutz eines Opfers rechtsextremistischer Gewalt einsetzen, sollten durch den Fonds geleistet werden. Schon 2002 wurde der Mittelansatz auf 2,5 Millionen Euro reduziert. In den Folgejahren wurde der Fonds allmählich reduziert, weil die Mittel nie zur Gänze abgerufen wurden - 2005 standen noch 500.000 Euro für die Opferhilfe zur Verfügung.

Durch den Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Regierung, mit dem bereits die Ausweitung der bisherigen Bundesprogramme auf jegliche Form von Extremismus umgesetzt wurde, dehnte man auch die Zuständigkeit des Opferfonds aus. Auch wenn die Bundesregierung Kürzungen zulasten der Opfer rechtsextremer Gewalt negiert und dabei auf eine Erhöhung des Fonds verweist, offenbart die Umgestaltung des Hilfsprogramms die gefährliche Gleichsetzungslogik der schwarz-gelben Koalition. Opfer ideologisch unterschiedlich geprägter Gewalt werden anhand einer gemeinsamen Richtlinie zur Entschädigung gleichgesetzt – und ein differenziertes Bild der politisch-ideologischen Landschaft nicht mehr aufgezeigt.

Bisher keine Opfer von „Sonstigem Extremismus“

Die Bundesregierung weist den Vorwurf der Relativierung rechtsextremer Gewalt von sich. Man betrachte das Problem aus der Opferperspektive und ziele darauf ab, allen Opfern extremistischer Gewalt in gleicher Weise Hilfe zu gewähren. Opfer rechtsextremer Gewalt hätten keine Relativierung und keine Kürzung der Mittel zu befürchten, da der Fonds von 300.000 Euro in 2009 auf 1 Million in diesem Jahr aufgestockt wurde. Auf Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion gab die Bundesregierung nun bekannt, dass bis August dieses Jahres lediglich 4% der Mittel abgerufen wurden. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass in diesem Jahr bereits 71 Anträge von Opfern rechtsextremer Gewalt gestellt wurden – von Opfern sonstiger extremistischer Straftaten hingegen bisher keine.

Die Erweiterung der Zuständigkeit des Opferfonds ist symptomatisch für den leichtfertigen Umgang der Bundesregierung mit dem überholten Extremismusbegriff. Eine Gleichsetzung der verschiedenen Ideologien verkennt die Tatsache, dass es seit 1990 mehr als 150 Todesopfer rassistischer Gewalt gab und Neonazis wieder vermehrt durch hohe Gewaltbereitschaft in Erscheinung treten. Zwar sind Rassismus, Antisemitismus und andere Formen der Menschenfeindlichkeit Standardrepertoire der Neonazis, doch alltägliche Diskriminierung ist nach wie vor ein Problem, das in der ganzen Gesellschaft vorkommt und nicht auf irgendwelche Ränder abgeschoben werden kann. Die Erweiterung des Opferfonds verkennt ebenso wie die Aufweichung der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus alltägliche Realitäten und die Notwendigkeit, nachhaltig und entschlossen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit vorzugehen. Die Tatsache, dass bisher ausschließlich Hilfen für Opfer rechtsextremer Gewalt abgerufen wurden, belegt die Notwendigkeit, dieser Bedrohung konsequent entgegenzuwirken.

Hilfe kommt nur schleppend an


Sönke Rix und Sebastian Edathy von der SPD-Fraktion fordern daher, die Existenz des Opferfonds stärker zu bewerben, da die geringe Ausschöpfung auf eine mangelnde Kenntnisnahme hinweise. Sollte der Opferfonds bis zum Jahresende nicht ausgeschöpft sein, müssten die Mittel zukünftig den unterfinanzierten Projekten und Initiativen gegen Rechtsextremismus zugeteilt werden. In einer Erklärung heißt es:„Es zeigt sich, dass die Nivellierung des Extremismus-Begriffes durch die Bundesregierung reine Symbolpolitik darstellt und an den tatsächlichen Herausforderungen vorbeigeht.“ Denn Prävention und nachhaltige Initiativen sind der Schlüssel, um gewaltsamen Übergriffen vorzukommen.

Thomas Olsen, der den Opferfonds CURA der Amadeu Antonio Stiftung betreut, kritisiert die bürokratischen Hürden des Härtefall-Fonds: „Die Bedingungen, um Unterstützung durch den Fonds der Bundesregierung zu erhalten, sind sehr streng. Finanzielle Hilfen werden zudem erst nach einem Urteilsspruch gewährt, der sich zeitlich sehr lange hinziehen kann.“ Der Opferfonds CURA vermittelt in solchen Fällen schnelle und unbürokratische Hilfe und ist daher auf Spenden angewiesen.

Foto: frborg007 via flickr, cc