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Chaos um "Aktion Noteingang"


Die Berufsbildenden Schulen „Conrad Tack“ in Burg, Sachsen-Anhalt, wollten mit dem Aufkleber „Aktion Noteingang“ zeigen, dass Betroffene von rassistischer Gewalt bei ihnen Hilfe finden. Doch genau dieses Vorhaben wurde jetzt vom Landratsamt, dem Träger der Schule, aus Imagegründen untersagt.


Burg, ein 24.000-Seelen-Ort in Sachsen-Anhalt, hat in den letzten Wochen für Schlagzeilen gesorgt. Den Berufsbildenden Schulen „Conrad Tack“ wurde es verboten, Aufkleber der „Aktion Noteingang“ anzubringen. Der Grund dafür sei die Imageschädigung, die Burg als Ort erhalten würde. Angeblich würde die Gefahr bestehen, dass Burg als ein Ort angesehen wird, in dem Rassismus vorkommt. Weitere Einrichtungen und Privatpersonen würden als ‚Rassisten’ dastehen, wenn sie keine Aufkleber dieser Art anbringen würden. Dass es ein Problem mit Neonazis und Rassismus gibt, wird vom Landratsamt allerdings nicht bestritten. Die Statistik sieht dies genauso. In Sachsen-Anhalt gab es alleine in 2008 191 registrierte rechtsmotivierte Angriffe. Die Neonazi-Szene in Sachsen-Anhalt gilt außerdem als sehr gewaltbereit. Auch in Burg gab es in den letzten Tagen vereinzelt Vorfälle, die aus der Szene kamen. Dabei handelte es sich um Schmierereien sowie um Aufkleber mit neonazistischen Inhalten. Das Landratsamt ist allerdings der Meinung, dass es wichtiger sei, an der positiven Einstellung der Bürger zu Migrantinnen und Migranten zu arbeiten, als Aufkleber dieser Art anzubringen.

„Aktion Noteingang“

Im Jahre 1998 entstand die „Aktion Noteingang“ im Land Brandenburg als eine Reaktion auf rassistisch motivierte Überfälle. Gegründet wurde dieses Projekt von einer Bernauer Jugendgruppe. Mit dieser Aktion soll auf die rassistisch motivierten Übergriffe aufmerksam gemacht und die Opfer unterstützt werden. Außerdem führt dieses Projekt dazu, dass rassistische Übergriffe aus der Mitte der Gesellschaft nachhaltig thematisiert werden. Die Aktion zeigt Menschen die Möglichkeiten, wie sie gegen rechtsextreme Übergriffe reagieren können und ermöglicht eine breite, öffentliche Diskussion. Wenn Menschen Schutz vor rassistischer Gewalt suchen, können sie sich sicher sein, dass ihnen in einem Haus mit diesem Aufkleber, Hilfe und Schutz gewährleistet wird. Auch die Wirkung auf die Gewalttäter und -täterinnen darf nicht vergessen werden. Sie bekommen zu verstehen, dass ihre rassistische Haltung nicht toleriert wird und sie mit dem Entgegentreten der Bevölkerung rechnen müssen. Somit bietet sich die „Aktion Noteingang“ als etwas Konkretes an, mit dem man Zivilcourage beweisen kann.

Stimmen zu dem Vorfall

Zu dem Vorfall in Burg gab es Stimmen verschiedener Art. Der Schulleiter der Berufsbildenden Schulen „Conrad Tack“ zeigte sich bestürzt. Er selbst habe von der ‚Aktion Noteingang’ durch einen Kollegen vom „Runden Tisch gegen Rechts“ in Burg gehört. Daraufhin beschloss die Schule den Aufkleber der „Aktion Noteingang“ anzubringen. Dieses Vorhaben wurde jedoch von Seiten des Landratsamtes verboten. „Das Landratsamt möchte als Träger der Schule auf neutralem Boden bleiben“, so Herr Bruns. Die Schule ist erschüttert, doch sie wird auch ohne den Aufkleber ein Noteingang für jeden und jede sein, der oder die sich bedroht fühlt! Holger Hövelmann, Innenminister des Landes Sachsen-Anhalt, reiht sich in die Liste der Kritisierenden der Entscheidung ein. „Die Vorstellung, das Schild ‚Noteingang’ könne die gebotene politische Neutralität der Schule verletzen, ist unsinnig“. Zwischen Mitmenschlichkeit und Unmenschlichkeit gebe es keine ‚Neutralität’, so Hövelmann. Er ist außerdem der Meinung, dass die Ablehnung von Gewalt, die Ächtung von Rassismus und das Einstehen für Verfolgte zu dem Wertekanon gehören, den eine Schule vermitteln muss. Laut Hövelmann kommt ans Innenministerium sehr bald ein Aufkleber.
Auf der Internetseite des Landkreises Jerichower Land werden allerdings ganz andere Töne angestimmt. Es heißt, dass der Aufkleber der „Aktion Noteingang“ dem Ort Burg schadet.
In dem Statement wird festgestellt, dass man mehr über die positiven Ansätze der Integration von Migrantinnen und Migranten reden sollte, als den Rassismus zu überspitzen und Burg als einen rassistischen Ort stehen zu lassen. Abschließend wird gesagt, dass es in Burg viele offene Türen gäbe, dass man dafür aber doch kein Schild bräuchte.

„Aktion Noteingang“ als erforderliche Maßnahme?

Die „Aktion Noteingang“ spaltet die Menschen. Von einigen als sinnvoll angesehen, stehen ihr andere kritisch gegenüber. Die Frage, die gestellt werden muss, ist: Warum sind die Aufkleber nötig? Gehört es nicht zum Verstand eines jeden Menschen, Opfer rassistischer Gewalt, Hilfe und Schutz zu gewährleisten? Würde man nicht das gleiche von anderen Personen erwarten, wenn man sich in einer gefährlichen Situation befände? Zeigen denn nicht alle Menschen Zivilcourage? Bedeutet das Anbringen eines solchen Aufklebers, dass alle anderen, die diesen nicht anbringen, rassistisch sind?

Die traurige Tatsache ist, dass nicht alle Menschen für Opfer einstehen und ihnen bei Gefahr helfen. Einige sagen sich: „Das geht mich nichts an, da mische ich mich nicht ein“, andere wiederum tun so, als ob sie nichts mitbekämen. Es passiert viel zu oft, dass Menschen Gewalt angetan wird, und andere sie hilflos zurücklassen. Gerade auf Grund solcher Vorfälle, ist es wichtig Zeichen zu setzen. Zeichen, die den Opfern zeigt: „Ihr seid nicht alleine. Wir helfen euch!“ Die Entscheidung diesen Schritt zu gehen und beispielsweise einen solchen Aufkleber der „Aktion Noteingang“ anzubringen, ist jedem und jeder selbst überlassen. Leute, die dies nicht tun, können nicht als Rassisten, aber als Menschen die dies traurigerweise nicht interessiert, angesehen werden. Fest steht, dass die Anbringung eines solchen Aufklebers nicht sinnlos ist, sondern dazu beitragen kann, andere Leute zu aktivieren, auch couragiert zu handeln.

Von Johanna Eisenhardt
Foto: Björn Kietzmann, via
flickr, cc
 

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Aktion Noteingang