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Zivilgesellschaftliche Initiativen fordern Unterstützung im Engagement gegen Neonazis

In einem gemeinsamen Aufruf (siehe unten) fordern zivilgesellschaftliche Initiativen die Koalitionäre zur Unterstützung im Engagement gegen Neonazis und Rassismus auf. Ende dieser Woche wird dies als Thema in den beiden Arbeitskreisen »Inneres & Justiz« und »Familie, Frauen & Gleichstellung« behandelt. Noch ist unklar, ob die Bekämpfung des Rechtsextremismus zukünftig zentral bei einem Ministerium angesiedelt werden soll oder wie bisher dezentral erfolgt.

In der letzten Legislaturperiode hat der NSU - Untersuchungsausschuss in seinen Empfehlungen deutlich mehr Unterstützung für die Initiativen in der Auseinandersetzung mit Neonazis und Rassismus gefordert. Anlässlich der Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD appellieren die beiden Dachverbände Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung (BAGD) und die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAGKR) an die künftige Bundesregierung, diesen Empfehlungen zu folgen und die Finanzierung der Projekte zu sichern. Auch muss die zukünftige Bundesregierung die von Frau Merkel in der letzten Bundestagssitzung vor den Wahlen gemachte Zusage, alle Empfehlungen des NSU Untersuchungsausschusses umzusetzen, einhalten.

Für eine langfristige und dauerhafte Finanzierung der Arbeit fordern die Initiativen einen klar gesetzlich abgegrenzten Auftrag des Deutschen Bundestages in Form eines eigenen Gesetzes, der die Förderung der Vielfalt der zivilgesellschaftlichen Arbeitsansätze verstetigt sowie die damit notwendige Verdopplung der Haushaltsansätze, um die Projekte in Ost- und Westdeutschland gleichermaßen ausreichend zu finanzieren. Zudem drängen die Initiativen, dass sich die Koalitionsfraktionen darauf verständigen, die äußerst umstrittene Extremismus- bzw. Misstrauensklausel sofort abzuschaffen und die staatliche Zählung der Todesopfer rechter und rassistischer Gewalt zu überprüfen und dies extern wissenschaftlich begleiten zu lassen. Einer Zentralisierung des Engagements gegen Neonazis bei einem Ministerium erteilen die zivilgesellschaftlichen Initiativen eine Absage, sie plädieren für eine strategische Koordination aller Aktivitäten der Bundesregierung in gleichberechtigter Zusammenarbeit mit den zivilgesellschaftlichen Initiativen, wie dies zum Teil auch der vorgelegte ‚Masterplan gegen Rassismus und Rechtsextremismus‘ von Yasemin Karakaşoğlu und Thomas Oppermann (beide SPD) vorsieht.

Mehr Unterstützung der Zivilgesellschaft im Engagement gegen Neonazis und Rassismus

Die zukünftige Bundesregierung muss die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses schnellstmöglich umsetzen

Am 21. August 2013 hat der Bundestagsuntersuchungsausschuss in seinen von allen im neuen Bundestag vertretenen Fraktion – CDU/CSU, SPD, Grüne und Linksfraktion - gemeinsam gefassten Empfehlungen deutlich mehr Unterstützung für die zivilgesellschaftlichen Initiativen in der Auseinandersetzung mit Neonazis und Rassismus gefordert. Wörtlich empfahlen die Abgeordneten der Bundesregierung: „Um den dringend notwendigen Ausbau der professionellen Beratungsprojekte für Betroffene rechter und rassistischer Gewalt sowie der Mobilen Beratungsteams auch in den alten Bundesländern analog den professionellen Qualitätsstandards der Beratungsprojekte und Mobilen Beratungsteams in den neuen Bundesländern und Berlin zu ermöglichen sowie den Erhalt letzterer zu sichern und drohende Kürzungen zu verhindern, wäre aus Sicht des Ausschusses ein deutlich höheres Fördervolumen erforderlich als bisher im Bundesprogramm »Toleranz fördern – Kompetenz stärken« zur Verfügung steht.“ Weiter erklärten die Abgeordneten: „Eine solche bedarfsgerechte Erhöhung des bisherigen Budgets wäre ein wichtiges politisches Signal an die Betroffenen rechter und rassistischer Gewalt sowie an die von neonazistischen Aktivitäten betroffenen Kommunen, dass sie nicht alleine gelassen werden. Deshalb fordern wir - neben der dringend notwendigen Verdopplung der Mittel - die Aufnahme eines solchen Gesetzesvorhabens in den Koalitionsvertrag.“

Anlässlich der Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD appellieren wir dringend an die künftige Bundesregierung, diesen Empfehlungen zu folgen und die Finanzierung der Projekte zu sicheren. Denn täglich ereignen sich mindestens zwei bis drei politisch rechts oder rassistisch motivierte Gewalttaten in Ost- und Westdeutschland und seit 1990 sind über 150 Todesopfer rechter und rassistischer Gewalt zu beklagen. Die Opfer der alltäglichen neonazistischen und rassistischen Gewalt sowie die Opfer der NSU-Mord- und Anschlagsserie erinnern nachdrücklich an die tödliche Dimension von Rechtsextremismus und Rassismus und stellen sowohl die Präventionsarchitektur als auch die demokratische Gesellschaft vor große zukünftige Herausforderungen.

Zudem sind minderheitenfeindliche Einstellungen in allen gesellschaftlichen Segmenten erschreckend weit verbreitet. Dies belegen die Ergebnisse der unterschiedlichen Einstellungsstudien von Heitmeyer, Brähler/Decker bis hin zu den Erkenntnissen des Antisemitismusberichts des Bundes und des »Nationalen Aktionsplans zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und darauf bezogene Intoleranz«.

Diese erschreckenden Tatsachen wurden von allen Parteien im deutschen Bundestag in der Debatte um den Abschlussbericht des NSU Untersuchungsausschuss bestätigt. Auch die zukünftige Bundesregierung muss die von Frau Merkel in der letzten Bundestagssitzung vor den Wahlen gemachte Zusage, alle Empfehlungen des NSU Untersuchungsausschusses umzusetzen, einhalten.

Die Studien sowie der NSU Bericht machen deutlich:

Zur Zurückdrängung von Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und anderen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) bedarf es weiterhin  unabhängiger, professioneller und endlich mit einer deutlich höheren finanziellen Ausstattung versehener zivilgesellschaftlicher Projekte. Die anhaltende Befristung der Förderung ist nicht verlässlich, verschlingt Ressourcen und belässt zu jedem Jahresende die Projekte in existentieller Ungewissheit. Nicht zuletzt deshalb hat der NSU-Untersuchungsausschluss der künftigen Bundesregierung empfohlen, hier endlich für Planungssicherheit und Verlässlichkeit zu sorgen.

„Eine langfristige, dauerhafte Finanzierung der Arbeit gegen Neonazismus und für Demokratieförderung auf Bundesebene ist verfassungsrechtlich möglich.“ Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten, das die Staatsrechtler Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis (HU Berlin) und Prof. Dr. Klaus Joachim Grigoleit (TU Dortmund) im Auftrag von Initiativen gegen Rechtsextremismus, Verbänden und Gewerkschaften erstellt haben und das im März 2013 veröffentlicht wurde. Das Gutachten widerspricht damit der bisherigen Auffassung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen, und Jugend (BMFSFJ), wonach die seit Jahren erfolgreiche Beratungs- und Bildungsarbeit gegen Rechtsextremismus nur einmalig bzw. lediglich zeitlich befristet gefördert werden könne. Möglich wäre laut den Gutachtern ein klar gesetzlich abgegrenzter Auftrag des Deutschen Bundestages (Gesetz), der die Förderung der Vielfalt der zivilgesellschaftlichen Arbeitsansätze verstetigt.

Deshalb fordern wir - neben der dringend notwendigen Verdopplung der Mittel - die Aufnahme eines solchen Gesetzesvorhabens in den Koalitionsvertrag mit dem Ziel, die unabhängigen Opferberatungsstellen sowie Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus zu stärken und in allen Bundesländern auszubauen und die Projekte gegen rechtsextreme Einstellungen sowie Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und andere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit dauerhaft zu fördern und zu stärken!

Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung (BAGD) und Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAGKR)

 

Initiativen fordern Unterstützung für Engagement gegen Neonazis auf gesetzlicher Grundlage - Neue Bundesregierung muss die Empfehlungen des NSU-Abschlussberichtes schnellstmöglich umsetzen. Foto: © Mut gegen rechte Gewalt