Sie sind hier

Frankfurt verbietet Mahnwache für Naziopfer

Weil eine „inhaltliche Nähe zu den Blockupy-Protesten“ vermutet wurde, untersagte die Stadt Frankfurt (Main) die jährliche Mahnwache zum Gedenken an die verfolgten Homosexuellen im Dritten Reich. Ein verheerendes Signal am Internationalen Tag gegen Homophobie.

Von Roland Sieber
 
Am Dienstag erreichte ein 13-seitiges Schreiben der Stadt Frankfurt am Main den Arbeitskreis der Lesben und Schwulen in der SPD. Darin wird ein Verbot der jährlichen Mahnwache zum Gedenken an die verfolgten Homosexuellen mitgeteilt. Dieses wird mit einer inhaltlichen Nähe zu den „Blockupy-Protesten“ begründet. Dazu der Anmelder der Mahnwache, der SPD-Stadtverordnete Christian Heimpel: „Es ist für uns als Organisatoren der Mahnwache nicht hinnehmbar, dass das Ordnungsamt unsere Mahnwache, welche mittlerweile zum dritten Mal stattfinden soll, verboten hat. Wir wollen uns am Internationalen Tag gegen Homophobie im stillen Gedenken an die Opfer von Mord und Verfolgung erinnern. Die Mahnwache in Bezug zur Blockupy-Demo zu stellen ist schlichtweg Unsinn.“

Die Anmelder wollen heute Eilrechtsschutz beim Verwaltungsgericht Frankfurt gegen das Verbot der friedlichen Mahnwache beantragen und erhalten dabei Unterstützung von den Organisatoren von Blockupy. Auf Nachfrage erklärte Roman Denter, aus dem Koordinierungskreis von Attac Deutschland: „Mit dem Verbot einer Kranzniederlegung für die homosexuellen Opfer des Nazi-Regimes setzt sich die Stadt Frankfurt zurück in eine vordemokratische Tradition. Die entkernte Demokratie ohne soziale und politische Grundrechte wird in diesen Tagen in Frankfurt offenbart. Wir halten dagegen: Blockupy wird stattfinden. Wir werden das demokratische Recht auf Protest auf vor Gericht und auf der Straße durchsetzen.“ Das Presseteam von Blockupy kritisierte die Stadt Frankfurt wegen den Versammlungsverboten als „Grundrechtsfreie Zone“ und hält das Verbot einer friedlichen Mahnwache für einen Schlag ins Gesicht der Opfer.
 
Der Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Römer, Manuel Stock erklärte in einem Telefoninterview: „Aus der Sicht des Ordnungsamtes ist das Verbot wegen der örtlich und zeitgleich angekündigten Blockupy-Protesten sicherlich nachvollziehbar. Ich halte das Verbot der Mahnwache für die während der Nazi-Zeit verfolgten Homosexuellen am Donnerstag aber für mehr als unglücklich. Der Frankfurter Engel wurde als Mahnmal gegen Homosexuellenverfolgung von einer rot-grünen Stadtregierung angestoßen und ich habe noch das Plakat der Initiative in meinem Büro hängen.“ Die mitregierende CDU gab bisher keine Stellungsnahme hierzu ab und auch die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth äußerte sich noch nicht zur Sache.

Der „International Day Against Homophobia (IDAHO)“ erinnert an den 17. Mai 1990, an dem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Homosexualität aus der Liste der psychischen Krankheiten strich. In Deutschland stehen die Zahlen darüber hinaus für den ehemaligen Paragraphen 175 des Strafgesetzbuches (StGB), der von 1872 bis zu seiner endgültigen Abschaffung 1994 in verschiedenen Varianten sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte.

Von den 200.000 während der Nazidiktatur nach Paragraph 175 verurteilten Menschen haben bis zu 50.000 die Konzentrationslager nicht überlebt. Anders als andere KZ-Häftlinge ging für die wegen ihrer sexuellen Identität Verfolgten das Leiden nach der Befreiung durch die Alliierten Truppen weiter. Viele mussten in bundesdeutschen Gefängnissen ihre Reststrafe aus der Nazizeit absitzen. Eine wirksame Entschädigung und Wiedergutmachung hat es gegenüber den homosexuellen Opfern der Nazis und der bundesdeutschen Politik und Justiz der Fünfziger und Sechziger Jahre nicht gegeben.
 
Die Jusos und Schwusos wollen mit der Kranzniederlegung in Frankfurt daran erinnern, dass ein Leben ohne Diskriminierung und Bedrohung durch Gewalt ein Menschenrecht ist. Noch heute werden täglich Menschen wegen ihrer sexuellen Identität weltweit diskriminiert, verfolgt, eingekerkert und hingerichtet. Auch in Deutschland gibt es noch Gewaltverbrechen gegen Homosexuelle und Diskriminierung in fast allen Gesellschaftsbereichen.

Am Internatnionalen Tag gegen Homophobie sollte in Frankfurt den homosexuellen Opfern der Nazis gedacht werden