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Neugestaltung der deutschen Sicherheitslandschaft

In was für einem Land leben wir eigentlich?  Zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge, vierzehn Banküberfälle- das ist die traurige Bilanz des NSU. Trotz deutlicher Hinweise gab es keine Ermittlungen im rechten Milieu, sondern völlig überforderte Behörden.

Von Diana Buhe

Als wären die unfassbaren Morde durch den NSU nicht schon schlimm und beschämend genug, offenbart sich im Zuge der juristischen Aufklärung ein Skandal nach dem nächsten. Fragwürdige Anrufe des sächsischen Innenministeriums auf ein Handy der Nazi-Mörder, zweifelhafte V-Mann Aussagen, spontan geschredderte Akten, widersprüchliche Aussagen von Behördenmitarbeitern und so weiter und so fort. Die Liste der Pannen bei den Ermittlungen zum NSU ist lang und macht fassungslos.

Wie kann der Verfassungsschutz nichts von der Mordserie bemerkt haben? Warum gingen die Ermittlungen in eine völlig andere Richtung? Da wurden Hellseher beauftragt und falsche Imbissbuden angemietet, um im „kriminellen Milieu“ zu ermitteln. Dass die Mörder aus der rechten Szene kamen, blieb mehr als 10 Jahre unentdeckt. Es treten ständig neue unglaubliche Fehlleistungen zu Tage.

So muten die Aussagen des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Helmut Roewer im thüringischen Untersuchungsausschuss fast wie eine Satire an. Da ist von Fahrrad- Testfahrten in der Behörde die Rede oder von versehentlich versendeten Faxen. Auch seine Antwort auf die Frage nach seiner Berufung ist erschreckend: „Wie ich Verfassungsschutz-Präsident wurde? Es war an einem Tag nachts um 23 Uhr, da brachte eine mir unbekannte Person eine Ernennungs-Urkunde vorbei, in einem gelben Umschlag. Es war dunkel, ich konnte sie nicht erkennen. Ich war außerdem betrunken. Am Morgen fand ich den Umschlag jedenfalls noch in meiner Jacke.”

Zwar gibt es die ersten personellen Konsequenzen und Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm lässt sich in den vorzeitigen Ruhestand versetzen. Auch seine thüringischen und sächsischen Kollegen Thomas Sippel und Reinhard Boos geben ihr Amt vorzeitig ab. Sind das nur Bauernopfer oder der Beginn einer wirklichen Aufarbeitung?

Verfassungsschutz noch zeitgemäß?

Aber überfällige Rückzüge von Amtsleitern, die ihre Behörden jahrelang nicht angemessen und rechtstreu organisierten, reichen nicht aus“ stellt Grünen Abgeordneter und stellvertretendes Mitglied im NSU- Untersuchungsausschuss des Bundestages, Christian Ströbele in einer aktuellen Pressemitteilung fest. Er geht in seiner Auffassung sogar noch weiter und fordert: „Die gesamte Organisation der Geheimdienste und v.a. des Verfassungsschutzes muss auf den Prüfstand und zur Disposition stehen.“

Ist der Verfassungsschutz überhaupt noch zeitgemäß? Kann man ihn nicht einfach abschaffen? Kernaufgabe der Behörde ist unter anderem die Aufklärung terroristischer Tendenzen sowie die Spionageabwehr. Auch die Beobachtung von rechtsradikalen Gruppen gehört eigentlich dazu. Es gibt gute Gründe, dies nicht der Polizei zu überlassen.

Aber dafür braucht es gut ausgebildete und qualifizierte Mitarbeiter, die auf professionellem Niveau arbeiten und wo nötig, mit anderen Ämtern kooperieren. Christoph Gusy fordert in seinem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung eine „Kultur der Zusammenarbeit“.  In diesem beklagt er auch eine mangelnde Kontrolle des Verfassungsschutzes. „Viele Kontrolleure, aber wenig Kontrolle!“

Es zeigt sich, dass der Verfassungsschutz und seine Strukturen komplett durchleuchtet und reformiert werden müssen. Einzelne Rücktritte reichen bei weitem nicht aus, um die eklatanten Fehler bei der Ermittlung auszugleichen. Es muss eine umfassende und weitreichende Aufklärung über die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Sicherheitsinstitutionen und der Mordserie geben.

Die Konsequenz davon kann nur eine Neuordnung und Reformierung der deutschen Sicherheitslandschaft sein.

 

 

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Bei der Aufarbeitung der NSU- Mordserie offenbaren Polizei und Verfassungsschutz etliche Fehler und Pannen, Foto:tetedelacourse, via flickr, cc