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Mit Kompetenz gegen Rechts – Ist das zu viel verlangt, Frau Schröder?

Die Bundesregierung hat mit ihrer Ankündigung eines Kompetenzzentrums gegen Rechtsextremismus vor allem eins bewirkt: Sie hat viele Fragezeichen produziert! So viele, dass selbst das Satiremagazin heute show nicht umhin kam den Sachverhalt aufzugreifen. Ein treffender Beitrag ist entstanden, der die ganze Peinlichkeit des bisherigen Vorgehens aufzeigt. Und das in einer Zeit, in der die gesamte Gesellschaft auf ein wirkungsvolles Vorgehen gegen Rechtsextremismus wartet.

Die Konzeptionslosigkeit des Familien- und des Innenministeriums

Auch die Opposition hat zur Einrichtung des Kompetenzzentrums Fragen gestellt, die SPD-Bundestagsfraktion sogar eine kleine Anfrage eingebracht. Die bisherigen Antworten zeigen vor allem die Konzeptionslosigkeit des Familien- und des Innenministeriums. Das Ziel ist schwammig, der Zeitplan, Ort und die Konzeption unbekannt. Allein das Budget steht fest. Zwei Millionen Euro – wofür auch immer? Eine Menge Geld, gemessen an dem was für zivilgesellschaftliches Engagement zur Verfügung steht.

Es fällt zudem auf, dass sich in den Antworten der Ministerien im Zusammenhang mit dem Kompetenzzentrum eine Passage wiederholt: Das Zentrum solle ein Ort für den  Wissenstransfer im Hinblick auf „die präventiv-pädagogische Arbeit mit rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen“ sein.

Das gescheiterte Prinzip der akzeptierenden Jugendarbeit

Das hat mich aufhorchen lassen. Als langjährige politische Bildnerin gerade in der antirassistischen Jugendbildung frage ich mich, was das heißen soll, vorbeugend mit rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen zu arbeiten? Ist dabei nur die Verhaltensebene gemeint? Steckt also das Ziel dahinter, dass die Jugendlichen nicht gewalttätig werden? Oder geht es um das altbekannte und gescheiterte Prinzip der akzeptierenden Jugendarbeit und der damit verbundenen Hoffnung, dass die Jugendlichen, wenn sie nur nett genug adressiert werden, schon auf andere Gedanken kommen? Oder meinen die Verfasser sogar, dass man mit ein wenig politischer Bildung die Einstellungen von Nazis und Mitläufern tatsächlich verändern kann?

Man könnte entspannt über die Sinnhaftigkeit oder aus meiner Sicht Sinnlosigkeit des Ansatzes diskutieren, wenn die Bundesregierung und Ministerin Schröder nicht schon längst zur Tat geschritten wären. Unter den vom Bundesfamilienministerium geförderten Modellprojekten findet sich das mittlerweile breit diskutierte Projekt „Dortmund den Dortmundern“ bei dem normale Jugendliche und Autonome Nationalisten zusammenarbeiten sollen. Auch wenn ein direktes Aufeinandertreffen mittlerweile aus dem Konzept gestrichen wurde, meinen offenbar der Projektträger und das geldgebende Ministerium allen Ernstes, dass es etwas bringen kann, eine ganze Gruppe von organisierten Nazis gemeinsam einem freiwilligen Bildungsprozess zuzuführen. Bei soviel Naivität bleibt mir vor Staunen der Mund offen stehen. Mein Mitleid gilt den Bildner und Bildnerinnen, die diesen Prozess gestalten sollen.

Nach meinen langjährigen Erfahrungen aus der antirassistischen politischen Bildungsarbeit (ich bin Trainerin beim erfolgreichen Netzwerk für Demokratie und Courage) ist es so gut wie unmöglich organisierte rechtsextremistische Jugendliche durch normale Methoden der politischen Bildung zu erreichen oder gar zu einer Selbstreflexion anzuregen. Ganz im Gegenteil; die Schwierigkeit einen vernünftigen Bildungsprozess zu gestalten sinkt dramatisch mit jedem rassistisch oder sogar rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen in der Gruppe.

Das heißt natürlich nicht, dass jeder rechtsextremistisch orientierte Jugendliche auf ewig verloren ist. Gerade an biographischen Übergängen, ergeben sich Zeitfenster um die Jugendlichen zu erreichen und zum Umdenken anzuregen.

Um das zu organisieren ist vor allem eines gefragt: ein reflektiertes, problembewusstes Umfeld. Dieses zu schaffen, durch politische Bildung und durch mobile Beratungsteams, war der bisherige Ansatz im Kampf gegen Rechts. Im Fokus standen die nicht-rechten Jugendlichen die gestärkt werden sollten um rechtem Gedankengut keine Chance zu geben.

Misstrauen gegenüber der aktiven Zivilgesellschaft

Der Ansatz der Bundesregierung ist mithin ein radikaler Schwenk. Bleibt die Frage welche Strategie dahinter steht. Zu befürchten ist, dass dieser Schwenk rein ideologisch begründet ist. Die gesamte Politik der Bundesregierung ist von einem tiefen Misstrauen gegenüber der aktiven Zivilgesellschaft geprägt. Ausdruck findet dieses Misstrauen nicht zuletzt in der Extremismuserklärung, von der sich die Initiativen zu recht in ein zweifelhaftes Zwielicht gesetzt fühlen.

Mit dem aktuellen neuen Fokus auf die Zielgruppe der schon rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen stellt Schwarz-Gelb aus meiner Sicht die bisherigen Ansätze in Frage, die ja eben gerade nicht-rechte Jugendliche und Opfer rechter Gewalt in den Blick nahmen. Das Kompetenzzentrum gegen Rechtsextremismus und die neue Zielgruppe sind somit eine erneute Misstrauenserklärung gegen die aktive Zivilgesellschaft.

Noch dazu ist die Bundesregierung bei ihrer Umorientierung bar jeder fachlichen Expertise oder guter pädagogischer Ansätze. Hier ist eine naive und ideologisch motivierte Politik am Werke. Hier wird Geldverschwendung betrieben, zu Lasten der Zivilgesellschaft, die seit Jahren beachtliche und erfolgreiche Arbeit leistet.
Protest gegen diese verblendete Politik ist dringend nötig.

Daniela Kolbe ist Mitglied des Innenausschuss und stellvertretende Sprecherin der SPD-Fraktion für Strategien gegen Rechtsextremismus.

Daniela Kolbe, Mitglied des Innenausschuss und stellvertretende Sprecherin der SPD-Fraktion für Strategien gegen Rechtsextremismus, Foto: Deutscher Bundestag/Anke Jacob, c