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„Keinem Neonazi Raum für die Verbreitung seiner menschenfeindlichen Ideologie geben“

Die Wahl der Bremer Bürgerschaft am 22. Mai steht vor der Tür. Die NPD tritt diesmal auch in der Hansestadt an und wirbt im Wahlkampf mit rassistischen Parolen. Was er persönlich und politisch gegen die Hetze der Neonazis unternimmt, dass erzählte Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen im Gespräch mit Mut.


Mut: Am 30. April hat die Stadt Bremen ein beeindruckendes Zeichen gegen Rechts gesetzt. 4.000 Bremer demonstrierten gegen den Aufmarsch von rund 200 Neonazis, die in Bremen eine vorverlegte 1. Mai-Demonstration unter dem Motto „Soziale Sicherheit statt Raubtierkapitalismus“ veranstalteten. Hätten Sie mit solch einer großen Beteiligung der Bremer Bürgerinnen und Bürger gerechnet?
 

Ich weiß, dass es in Bremen eine ganz große Tradition des Antifaschismus gibt. Schon 2006 haben sich mehrere Tausend Bremerinnen und Bremer versammelt, um gegen einen Neonazi-Aufmarsch in der Stadt zu demonstrieren. Schon damals hat die Stadt also gezeigt, dass sie sich die Hetze der Neonazis nicht gefallen lässt. Beeindruckend war diesmal aber, dass sich fast 100 Vereinigungen und Verbände unter dem Motto „Keinen Meter!“ zusammengeschlossen und so ein Netz gegen Nazis gebildet haben.

Mut: Sie sind an der Spitze der Gegendemonstration mitgelaufen. Wie wichtig war es Ihnen an diesem Tag dabei zu sein?

Ich bin aus großer Überzeugung dabei gewesen, weil der Kampf gegen Rechts auch mein persönlicher Kampf ist. Wegen seines Widerstandes gegen den Nationalsozialismus saß mein Vater zwei Jahre lang im Gefängnis. In meiner Familie spielte der Kampf gegen Rechts eine große Rolle und er gehört fest zu meinem Leben dazu. Ich bin in erster Linie aus persönlichen Gründen bei der Demonstration gewesen, aber auch als Bürgermeister. Ich bin dabei gewesen, weil es darum ging, dass Bremen insgesamt ein Zeichen setzt. Einige Journalisten haben mich gefragt, ob es denn wirklich nötig sei gegen ein paar Nazis zu demonstrieren – für mich ist das keine Frage. Man darf keinem Neonazi Raum für die Verbreitung seiner menschenfeindlichen Ideologie geben. Es ist egal, ob es 10 oder ob es 100 Neonazis sind, die demonstrieren – die Gesellschaft muss zeigen, dass sie Hass und Gewalt nicht akzeptiert. Die Menschenwürde gilt generell, und sie gilt es zu verteidigen.

Mut: Momentan wird wieder viel über ein Verbot der NPD debattiert. Sie haben sich bei mehreren Gelegenheiten klar für ein Verbot der Partei ausgesprochen – warum halten Sie ein Verbot der NPD für die richtige Lösung?

Die NPD ist ohne jeden Zweifel rassistisch, antisemitisch und demokratiefeindlich. Man braucht keine V-Leute, um das herauszufinden – alle Reden und Schriften der NPD zeigen es ganz deutlich. Die NPD will unsere Demokratie attackieren und beseitigen, es ist unsere Pflicht, uns dem entgegen zu stellen. Über das Verbot entscheiden aber nicht Regierungen und Parlamente, sondern ausschließlich das Verfassungsgericht. Ich bin dafür, dass man beim Verfassungsgericht erneut einen Verbotsantrag stellt. Man muss gerade jungen Leuten deutlich machen, dass die NPD nicht eine der vielen Parteien ist, die im demokratischen Wettstreit miteinander stehen, sondern dass sie die Demokratie nur als ein Vehikel benutzt, um die Freiheit zu beseitigen. Die Gesinnungen und Parolen der NPD bewegen sich nicht innerhalb des demokratischen Spektrums, ein Verbot der Partei würde dafür ein sichtbares Zeichen setzen.

Mut: Reicht ein Verbot denn aus?

Ein Verbot ist immer nur ein Teil der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. Wir müssen uns auf allen Ebenen – in Schulen, in der Gesellschaft generell – mit den Gefährdungen durch rechtes Gedankengut auseinandersetzen. Antisemitismus und Rassismus sind im Alltag latent und auch offen zu spüren – durch rechte Musik, zum Beispiel, werden Hass und Gewalt transportiert. Eine Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen, bleibt auch bei einem Verbot zwingend notwendig.

Mut: Bei dieser Bürgerschaftswahl kandidiert neben der NPD auch wieder die, man könnte sagen, rechtspopulistische Wählervereinigung „Bürger in Wut“ – und sie hat gute Chancen zum zweiten Mal in die Bürgerschaft einzuziehen. Wie schätzen Sie die „Bürger in Wut“ ein? Gibt es hier Parallelen zu der „Pro-Bewegung“, beispielsweise „pro NRW“?

Auch die „Bürger in Wut“ mobilisieren Ressentiments – zu sagen, ob sie zur rechtsextremen Szene gehören, da bin ich eher zurückhaltend. Aber es ist immer ein Problem für die demokratische Kultur, wenn Parteien in ihren Wahlparolen Ressentiments und Aggressionen ausdrücken. Dass ist ja bei der Partei „Bürger in Wut“ schon im Namen zu erkennen. Man möchte nicht sagen, wo der konstruktive Weg ist. Ich verbinde das Auftreten der Partei eher mit dem von anderen europäischen Parteien am rechten Rand, die jüngst so viel Zuwachs bekommen haben – in Holland, Dänemark, Frankreich, zum Beispiel. Da geht es auch um Protest und um Ressentiments.

Mut: Wie verhalten Sie sich persönlich, wenn Sie mit Politikerinnen und Politikern von NPD, DVU oder BIW zu tun haben?

Persönlich habe ich nichts mit solchen Politikerinnen und Politikern zu tun und ich will mit ihnen auch in Zukunft nichts zu tun haben. Der einzige Kontakt mit ihnen kommt innerhalb des Parlaments zustande. Und da haben wir, die demokratischen Parteien, einen Umgang gefunden, der deutlich macht, dass wir diese Parteien nicht als gleichwertige Partner ansehen. Bei Redebeiträgen dieser Parteien verfassen die demokratischen Parteien vorher eine gemeinsame Stellungnahme – es findet keine übliche Debatte statt. Wir zeigen mit diesem Verhalten, dass wir auf der demokratischen Seite stehen und nicht auf der hasserfüllten Seite dieser Abgeordneten.

Mut: Was wünschen Sie sich für die Wahl am 22. Mai?

Ich wünsche mir eine große Wahlbeteiligung, denn wer nicht wählt, der wählt doch. Der beste Weg den Rechtsextremisten Paroli zu bieten, ist wählen zu gehen. Bremen ist das erste Land der 16 Bundesländer, in denen das Wahlalter auf 16 Jahre heruntergesetzt wurde. Ich hoffe, dass ganz besonders die jungen Wähler zeigen werden, dass sie mit den Parolen und der Gesinnung der rechten Parteien nichts zu tun haben wollen.

Mut: Herr Bürgermeister Böhrnsen, vielen Dank für dieses Interview!

Das Interview führte Kristina Ditz.

Foto: Böhrnsen

Im Bremer Wilden Westen

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Jens Böhrnsen