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Chronik flüchtlingsfeindlicher Vorfälle

Die gemeinsame Chronik der Amadeu Antonio Stiftung und PRO ASYL dokumentiert Übergriffe auf und Demonstrationen gegen Geflüchtete und ihre Unterkünfte. Die Datengrundlage der Chronik sind öffentlich zugängliche Berichte in Zeitungsartikeln, Pressemitteilungen der Polizei sowie Meldungen lokaler und regionaler Register- und Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.

Die Dokumentation unterscheidet folgende Vorfälle bzw. Arten von Übergriffen:

- Brandanschläge auf (bewohnte/ geplante/ im Bau befindliche) Asylunterkünfte oder Wohnungen von Geflüchteten

- "Sonstige Angriffe" (z.B. Böller- oder Steinwürfe, mutwillige Wasserschäden, rechte Schmierereien etc.)

- Körperverletzungen und die Zahl der Verletzten [1]

- Kundgebungen und Demonstrationen [2]

Einzelne Fälle tauchen in mehreren Kategorien auf, etwa wenn aus einer Demonstration heraus zu Angriffen auf Geflüchtete kommt.

Hier geht es zur Karte flüchtlingsfeindlicher Vorfälle:

[1] Tätliche Übergriffe/ Körperverletzungen werden in dieser Dokumentation nur dann aufgenommen, wenn der Status der Betroffenen als Geflüchtete bestätigt ist. Das Ausmaß an rassistischen und rechtsmotivierten Angriffen ist jedoch um ein Vielfaches höher und wird in dieser Chronik nicht erfasst. Auch können Übergriffe, die jenseits der angegebenen Kategorien verübt werden, unabhängig ihrer Schwere zwar unter Umständen im Text erwähnt, nicht jedoch in die entsprechende Zählung der Chronik einbezogen werden. Darunter fallen z.B. Übergriffe auf Unterstützer_innen von Geflüchteten. In beiden Fällen geben die Chroniken verschiedener Beratungsstellen Auskunft:

→ Übersicht Beratungsstellen: http://www.opferfonds-cura.de/hilfe-fuer-betroffene/beratungsstellen
→ Webseite des Bundesverbands der Beratungsstellen: https://www.verband-brg.de/
→ Chronik rechter Übergriffe von netz-gegen-nazis: http://www.netz-gegen-nazis.de/category/lexikon/chronik

[2] Rechte Demonstrationen und Kundgebungen gegen die Unterbringung oder allgemein gegen die Aufnahme von Geflüchteten können aufgrund des aktuellen Ausmaßes nicht vollständig in der Chronik abgedeckt werden. Auch hier sind die realen Zahlen weitaus höher als in der Chronik abgebildet. Die Chronik beschränkt sich seit Januar 2016 auf Demonstrationen, bei denen es zu justiziablen Vorfällen kam (nicht angemeldet, Volksverhetzung, Angriffe auf Gegendemonstrant_innen, Presse, Polizei etc.).

Zuletzt aktualisiert: 22.02.2023

Angriffe auf Asylsuchende und ihre Unterkünfte: 11

  • Davon tätliche Übergriffe auf Asylsuchende (Körperverletzung): 11
  • Davon Brandanschläge auf Unterkünfte: 0
  • Davon sonstige Angriffe auf Unterkünfte und Asylsuchende (Stein-/Böllerwürfe, Schüsse, rechte Schmierereien, Bedrohungen etc.): 0

Ergänzende Verdachtsfälle außerhalb der Zählung: 0

Verletzte Asylsuchende (durch Brandanschläge, tätliche Übergriffe etc.): 13

Demonstrationen/ Kundgebungen²: 0

1Verletzte_r
St. Wendel
Saarland
Quelle: 

An einer Tankstelle in der Linxweilerstraße wurde ein Mann aus Syrien gegen 21.15 Uhr aus mutmaßlich rassistischen Motiven angegriffen und verletzt. Wie die Polizei mitteilt, hat ein junger Mann den Geschädigten zuerst als „Kanacke“ beleidigt und anschließend mit dem Unterarm auf die Nase geschlagen. Die Polizei beschreibt den Täter als 20 Jahre alt, zirka 1,70 groß, von kräftiger Statur mit mittelblonder Kurzhaarfrisur und Bart.

1Verletzte_r
Chemnitz
Sachsen
Quelle: 

Ein 38-Jähriger aus Tunesien wurde am Nachmittag auf offener Straße zunächst rassistisch beleidigt und dann attackiert. Im Vorbeifahren soll ein Autofahrer zunächst die rassistischen Beleidigungen gerufen haben. Dann blieb der Fahrer wenige Meter stehen, stieg aus und holte einen Baseballschläger aus dem Kofferraum. Damit soll er auf den 38-Jährigen eingeschlagen haben. Der Geschädigte versuchte auszuweichen, wurde aber am Arm getroffen. Der Angreifer floh mit dem Auto. Bei dem Angreifer soll es sich laut Polizei um einen 35- bis 40-Jährigen handeln. Er wird also etwa 1,80 Meter groß und schlank beschrieben, mit kurzen, dunkelblonden Haaren. Zum Tatzeitpunkt trug er blaue Jeans und ein weißes Hemd. Er war mit einem weißen Auto unterwegs, in dem sich offenbar noch eine Frau befand.

1Verletzte_r
Eberswalde
Brandenburg

Zwei Männer und eine Frau beschimpften am Abend auf offener Straße einen 36-jährigen Mann aus Syrien und seine fünfjährige Tochter zunächst rassistisch, dann griffen sie körperlich an. Dabei wurde das Kind laut Polizei leicht an der Nase verletzt. Der Vater alarmierte den Rettungsdienst, der das Mädchen noch am Ort des Geschehens versorgte. Die Täter flüchteten unerkannt. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der Volksverhetzung und der Körperverletzung.

2 Verletzte
Forst
Brandenburg

Zwei Asylsuchende im Alter von 27 und 40 Jahren aus Afghanistan kamen mit Verletzungen in ihre Unterkunft und gaben an, von Unbekannten angegriffen worden zu sein. Beide Geschädigten wurden ambulant im Krankenhaus behandelt. Bisherigen Ermittlungen zufolge waren die beiden vor einem Supermarkt von einem Mann mit einem unbekannten Gegenstand geschlagen worden, der Täter flüchtete danach mit einem Auto. Im Rahmen der Fahndung nach dem Auto wurde das mutmaßliche Tatfahrzeug festgestellt und gestoppt. Der 47-jährige Fahrer war laut Atemalkoholtest mit 1,52 Promille unterwegs, so dass die Polizei ein beweissichernde Blutprobe veranlasste. Inwieweit der Tatverdächtige allein oder mit mehreren anderen Personen an der vorgeworfenen gefährlichen Körperverletzung beteiligt war und der genaue Tathergang wird derzeit ermittelt.

2 Verletzte
Prenzlau
Brandenburg
Quelle: 

Zwei Asylsuchende aus Kenia wurden am Abend von mehreren Personen attackiert und verletzt. Ein 27-Jähriger habe einen Faustschlag gegen den Kopf bekommen, sein 26-jähriger Begleiter sei mit einem Messer an der Hand verletzt worden. Nachdem es den beiden Männern gelang zu fliehen, informierten sie die Polizei. Eine anschließende Fahndung blieb erfolglos. Die Polizei geht von vier männlichen Tätern aus, die einen Hund mit sich führten. Der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz der Polizeidirektion Ost ermittelt.

1Verletzte_r
Bad Schlema
Sachsen

Am Abend wurde ein 20-jähriger Somalier in einem Linienbus aus einer Gruppe von acht deutschen Männern im Alter von 37 bis 49 Jahren heraus rassistisch beleidigt. Zwei der Männer sollen auf den Geschädigten eingetreten und ihn verletzt haben.

Zum Zeitpunkt des Angriffs befand sich auch ein Polizist außer Dienst im Bus. Videoaufnahmen sollen zeigen, dass er nicht eingeschritten sei. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz wirft ihm nun unterlassene Hilfeleistung vor, während die beiden anderen Männer unter Verdacht der gefährlichen Körperverletzung stehen.

1Verletzte_r
Neustadt, Halle
Sachsen-Anhalt

In der Nacht ist ein 22-Jähriger, der vor sechs Jahren auf der Flucht nach Deutschland kam, in der Haller Neustadt unterwegs, wo er aus rassistischen Motiven attackiert und schwer verletzt wurde. Seine Erinnerungen an die Tat schildert er in einem Interview gegenüber Belltower-News folgendermaßen:
 
"Ich war mit einem Freund nachts unterwegs in Halle-Neustadt. Wir sind gegen Mitternacht am Rennbahnkreuz aus der Straßenbahn gestiegen, weil wir mit dem Bus weiterfahren wollten. Schon in der Bahn haben mich drei junge Männer die ganze Zeit angeguckt. Ich habe extra aus dem Fenster geschaut, weil ich die nicht provozieren wollte und den Augenkontakt zu vermeiden versuchte. Ich hatte Kopfhörer auf und wollte Musik genießen, was leider nicht geklappt hat. Außerdem haben sie immer versucht Augenkontakt aufzunehmen. Und dann haben die sich einfach umgesetzt. Ich wusste da, die wollen irgendwas. Ich habe die aber weiterhin ignoriert. Ich hatte da allerdings schon Sorge, ob die irgendwas machen wollen.
Was ist dann geschehen?
Als wir dann aus der Bahn ausgestiegen sind, habe ich gemerkt, dass mein Kumpel nicht mehr neben mir war. Dann, als wir im Bus waren, hat die Gruppe durch die offene Tür gerufen. Sie sagten zu uns: „Ihr Schwuchteln habt uns in der Bahn die ganze Zeit angeguckt“. Mein Freund hat gehört, wie sie uns als „Kanaken“ beschimpft haben. Ich geh mal davon aus, die haben was gegen Migranten. Und Plötzlich sind bei mir alle Lichter ausgegangen. Ich habe gerade noch gemerkt, dass ich von hinten geschlagen wurde. Dann war ich bewusstlos.
Wie lange warst du bewusstlos?
Das hat wohl eine bis zwei Stunden gedauert. Als ich wieder aufgewacht bin, saß ich auf der Bank der Bushaltestelle. Ich kann mich an kaum etwas erinnern. Ich habe einen kompletten Blackout und mehrere Kopfwunden. Aber wenn ich weiß, dass mein Schädel fast kaputtgegangen ist, kann ich mir ja vorstellen, was die gemacht haben – mit ihren Händen, Füßen und Flaschen.
Warst du dann im Krankenhaus?
Später kam ein Krankenwagen. Ich glaube ich habe den gerufen. Die Sanitäter haben mich ins Krankenhaus gebracht. Die Ärzte stellten eine Schädelfraktur, gebrochenes Nasenbein sowie zerstörte Teile der Hirnhaut fest. Die haben meinen Kopf zertrümmert. Ich bin drei Wochen im Krankenhaus geblieben. Dann war ich eine Woche zu Hause und drei Wochen in der Reha. Die Ärzte – auch die Neurologen – gratulierten mir, dass ich noch lebe. Bis heute fühlen sich Teile meines Gesichts taub an und die Ereignisse beschäftigen mich täglich. Ich fühle mich nicht sicher.
Ich mache ja gerade mein Fachabi, um danach im IT-Bereich zu arbeiten. Das letzte Schuljahr musste ich jedoch wegen des Angriffs aussetzen. Die haben mich so zusammen geschlagen, dass mir nun ein ganzes Schuljahr fehlt.
Weißt du, wie die Leute reagierten, die den Vorfall beobachtet haben?
Als ich wieder wach wurde, war mein Kumpel nicht mehr da bzw. nur ganz kurz. Ich denke, ich habe einmal sein Gesicht gesehen und seine Stimme gehört und dann habe ich weitergeschlafen. Die wichtigere Frage ist, was ist mit dem Busfahrer? Der müsste den Vorfall ja mitbekommen haben. Und eigentlich erwarte ich von so einem Unternehmen, dass sie Leute einstellen, die Erste Hilfe leisten, einschreiten oder zumindest den Notruf betätigen. So ein Fahrer sollte sich um Menschenleben kümmern können, z.B. wenn es einen Unfall gibt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er mitbekommen haben muss, was da in seinem Bus passiert ist.
Ende des Jahres soll der Prozess beginnen. Wie ist da der Stand?
Es gibt Probleme. Soweit ich weiß, wird der Busfahrer nicht als Zeuge geladen. Und das krasse ist: Die Behörden haben wohl die Akte zu meinem Verfahren verloren. Ich hoffe, das Gericht arbeitet seriöser. Die Anklage der Staatsanwaltschaft ist wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchten Totschlags. Die politischen Beleidigungen spielen bislang wohl keine Rolle. Die Polizei hat den Angriff nicht als politisch motivierte Kriminalität erfasst, die Opferberatung hingegen schon. Einige Täter sollen meines Wissens auch Kampfsport machen und sind gefährlich. Sie müssen verurteilt werden.
Was erwartest du vom Prozess?
Ich habe leider das Gefühl, dass das Verfahren nicht ernst genommen wird. Dabei wäre es so wichtig, für mich und alle anderen, denen Ähnliches passiert ist, dass die Täter verurteilt werden. Niemand ist sicher, nirgendwo, speziell als Migrant nicht, leider auch in der BRD."
 

1Verletzte_r
Erfurt
Thüringen

Am Abend griff ein 39-jähriger Deutscher einen 17-jährigen Syrer in einer Straßenbahn an und beleidigte ihn rassistisch. Der Geschädigte wurde laut Polizei leicht verletzt. Dem Täter gelang zunächst unerkannt die Flucht. Durch Zeugenhinweise konnte der 39-jährige polizeibekannte Mann zeitnah festgestellt werden.

1Verletzte_r
Herford
Nordrhein-Westfalen
Quelle: 

Auf dem Fußweg der Eimterstraße griff eine Frau am Nachmittag einen Mann offenbar aus rassistischen Motiven an. Laut Polizei saß der Geschädigte auf einer Bank und sei ohne erkennbaren Grund von der älteren Dame angesprochen, rassistisch beschimpft und mehrfach mutmaßlich mit Pfefferspray besprüht worden. Er musste demnach von einem Krankenwagen-Team behandelt und zu einem Augenarzt gebracht werden. Die unbekannte Angreiferin wird als 70 bis 75 Jahre alt und 1,60 bis 1,70 Meter groß beschrieben. Sie soll mittellange, weiße Haare tragen, eine untersetzte Figur haben und mit einem pinkfarbenen Mantel bekleidet gewesen sein.

1Verletzte_r
Weinböhla
Sachsen
Quelle: 

Eine Gruppe Jugendlicher hat am Abend in einer Straßenbahn einen Mann aus Libyen geschubst, geschlagen und rassistisch beleidigt. Der 36-Jährige wurde dabei laut Polizeiangaben leicht verletzt. Die Angreifer flüchteten unerkannt, der Staatsschutz ermittelt.

1Verletzte_r
Ramersdorf, München
Bayern
Quelle: 

Am Abend kam es in der Bad-Schachener-Straße im Ortsteil Ramersdorf zu einem rassistischen Angriff, den die Polizei wie folgt schildert: zwei Männer und eine Frau trafen auf einen 28-jährigen Somalier. Zu dem Angriff kam es unter dem Vorwand, dieser habe die Frau anzüglich angestarrt. Als der 28-Jährige die Beleidigungen mit seinem Handy dokumentieren wollte, stieß ihn einer der Männer zu Boden und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Bis die Polizei am Tatort eintraf, hatten der Angreifer und seine zwei Begleiter sich bereits entfernt. Der 28-Jährige wurde durch den Faustschlag leicht verletzt. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.